Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

242 Einundzwanzigstes Kapitel 4. Mai 1871 
die die abzutretenden einzelnen Deutschen sicherstellten. R. hat er— 
widert, man wolle deutscherseits Konzessionen machen, aber Däne— 
mark werde mit dem, was man bewilligen könne, nicht zufrieden 
sein. Der Kaiser Alexander soll die Regelung der Angelegenheit 
deshalb so lebhaft ersehnen, weil er wisse, wie eifrig der dänische 
Hof die antideutsche Gesinnung des Thronfolgers schüre. — Der- 
selbe Gewährsmann meldet ferner, daß die französische Regierung 
sich durch den Marquis Gabriac (ihren jetzigen Geschäftsträger in 
Petersburg) bei Gortschakow beklagt habe, wir seien nicht mehr so 
freundlich wie früher; dieser möge doch zwischen Frankreich und uns 
vermitteln. Er sei aber mit dieser Bitte unter Hinweis auf die im 
Präliminarfrieden erteilten Zusagen abgewiesen worden, deren Er- 
füllung der richtige Weg zum deutschen Wohlwollen sei. Auch der 
Kaiser Alexander hat dem Marquis auf einem Hofballe bemerkt: 
Remplissez d’abord loyalement vos engagements, et apres je serai 
votre àavocat, si vous aurez des raisons de vous plaindre. Au- 
jour d'hui ces raisons je ne les vois pas. 
4. Mai. Der Kanzler, der morgen nach Frankfurt abgeht, 
wünscht, daß in der Kölnischen Zeitung ungefähr folgendes über 
den Zweck dieser Reise gesagt werde: „Die seit längerer Zeit schon 
als Notwendigkeit empfundne mündliche Verhandlung des Fürsten 
Bismarck mit dem französischen Minister der auswärtigen Angelegen- 
heiten wird, wenn diese Zeilen zum Drucke gehn, bereits begonnen 
haben. Morgen früh acht Uhr reist der Reichskanzler in Begleitung 
der Legationssekretäre Bucher und Hatzfeldt und des Attaches Grafen 
Wartensleben nach Frankfurt a. M. ab, wo Jules Favre ihn ver- 
mutlich schon erwarten wird. Die Franzosen haben, wie es scheint, 
begriffen, daß die Zweifel an der Ehrlichkeit ihrer Politik, die sie 
seit den Versailler Abmachungen hervorgerufen haben, dringend der 
Beseitigung bedürfen. Wir selbst müssen wissen, woran wir eigentlich 
mit ihnen sind. Der Abschluß des definitiven Friedens bedarf der 
Bescheinigung, es muß endlich vorwärtsrücken damit, und Frankreich 
muß aufhören, zu glauben, daß wir uns von ihm hinhalten, hinters 
Licht führen und in eine ungünstige Position hineinmanövrieren 
lassen. Es muß unser Recht respektieren, die Konsequenzen der 
Artikel des Präliminarfriedens nicht rabulistisch abschwächen oder 
gar ganz ableugnen wollen. Wie man annehmen darf, werden es
	        
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