19. Juni 1871 Einundzwanzigstes Kapitel 259
und Haltung der Bevölkerung, und ihr zuversichtliches, wenn nicht
feindseliges Auftreten werde in dem Maße zunehmen, worin unsre
Soldaten die Stellung bei Paris räumten. Washburne habe ver-
traulich zur Vorsicht gemahnt und gegen Holstein geäußert, die
Stimmung der Pariser gegenüber den Deutschen sei bedenklich, der
Regierung mangele es an Macht, vielleicht an gutem Willen zum
Einschreiten hiergegen, und der Schutz der Deutschen in Paris liege
einzig und allein darin, daß noch Truppen von uns in der Nähe
stünden. Was sich aus der Lage der Dinge in Frankreich noch
entwickeln werde, sei nicht zu berechnen. Die zwei ersten Milliarden
würden bezahlt werden, um Deutschland sicher zu machen, die letzten
drei aber, selbst nach offnen Außerungen maßgebender Persönlich-
keiten (Nichtmilitärs) nicht, wohl aber wolle man die abgetretnen
Landesteile wiedernehmen.
Der Chef hat dem sächsischen General darauf gestern telegraphiert,
wir hätten nicht die Verpflichtung und nicht die Absicht, unfre
Okkupation eher räumlich einzuschränken, namentlich nicht die Forts
eher zu räumen, als wir nach dem Frankfurter Frieden müßten.
Wenn wir die Zahl unfrer Truppen in den von uns besetzten
Teilen Frankreichs verminderten, so geschehe dies nicht, weil wir
auf Frankreich, sondern weil wir auf unfre Schnelligkeit im
Mobilisieren vertrauten. Möglich sei, daß die Franzosen den Frieden
nicht vollständig ausführten, ja daß sie uns anzufallen beabsichtigen.
Aber sobald eine Zusammenziehung französischer Truppen diese
Eventualität wahrscheinlich mache, oder böswillige Verzögerung der
Zahlungen vorliege, werde in zwei Wochen wieder eine Streitmacht
von 600 000 Mann zwischen Metz und Paris stehen, worüber
Fabrice niemand im Zweifel lassen möge. Unfre Leute vor Paris
nach Bedarf wieder zu verstärken, sei finanziell wohlfeiler als sie
unbestimmt lange dort zu lassen. Die Möglichkeit eines Wieder-
beginnens des Krieges verhehle man sich nicht, fürchte sie aber
auch nicht.
19. Juni. Heute morgen eine Reihe von Telegrammen gelesen,
die zwischen Waldersee und dem Chef gewechselt worden sind, und
nach denen es fast scheint, als ob es wieder zu Feindseligkeiten
kommen könnte, wenn die Franzosen die Macht dazu hätten. Ihre
Truppen sind am 15. des Abends bei Lilas mit ihren Vorposten
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