Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

16 Sechzehntes Kapitel 6. Januar 
ausharren werden, wir also durch solche Humanität selbst zur Ver— 
längerung der Belagerung beitragen. Nicht wir haben durch An— 
legung von Magazinen oder Herbeischaffung von Transportmitteln 
zur Neuverproviantierung die den Parisern drohende Gefahr des 
Verhungerns wegzuschaffen, sondern die Pariser haben dies durch 
rechtzeitige Kapitulation zu thun. Gestern übertrug ich zwei eng— 
lische Aktenstücke über die Versenkung englischer Kohlenschiffe bei 
Rouen, die von unsern Truppen für notwendig befunden worden 
war, für den König ins Deutsche. Heute früh telegraphierte ich 
laut Bericht des Generalstabs nach London, daß der Erfolg des 
Bombardements, das sich seit drei Tagen gegen die Forts der 
Ostfront, seit gestern auch gegen die der Südfront von Paris richtet, 
sehr günstig, und daß der Verlust, den wir dabei gehabt haben, 
unerheblich ist. — Gestern war ich wieder einmal bei den Offizieren 
der Sechsundvierziger, die in der Ferme von Beauregard ihr Quartier 
aufgeschlagen und sich mit Möbeln, die man von Bougival dorthin 
geschafft hat, ganz behaglich eingerichtet haben. 
Heute besuchte ich in der freien Zeit nach drei Uhr mit Wagener, 
der nicht weit von uns an der Ecke der Rue de Provence und des 
Boulevard de la Reine in der Parterrewohnung eines Franzosen 
unter allerlei Olgemälden sein Unterkommen gefunden hat, den 
schon mehrmals gewählten Aussichtspunkt in Ville d'Avray, wo 
wir dem Bombardement zusahen. Es schien in Paris an zwei 
Stellen zu brennen, da dicke Rauchwolken aufstiegen. — — — 
Abends Depeschen gelesen, desgleichen Konzepte. Es sind zur 
Herbeischaffung von Proviant für Paris 2800 Achsen der deutschen 
Eisenbahnen in Anspruch genommen worden, wogegen der Chef 
energisch Verwahrung eingelegt hat, da es politisch nachteilig sei, 
d. h. da durch das Bewußtsein der Pariser Machthaber, alle Vor- 
räte der Stadt ohne die Befürchtung vor Not im letzten Augenblicke 
erschöpfen zu können, das endliche Nachgeben derselben verzögert 
werden würde. — Itzenplitz soll laut Telegramm vom 3. Januar 
keinen einzigen Wagen zu dem Zwecke verabfolgen und telegraphisch 
antworten, ob er solche Requisitionen ablehnen wolle. Wo nicht, 
so werde der Chef „seine Enthebung von aller Verantwortlichkeit 
bei Seiner Majestät beantragen.“ Itzenplitz hat zurücktelegraphiert, 
daß er die Ansicht des Bundeskanzlers teile und danach verfahren
	        
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