Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

26. Dezember 1871 Zweiundzwanzigstes Kapitel 299 
stören, haben einen empfindlichen Stoß erlitten. Nach solchen Worten 
wie die, die wir am 8. Dezember gehört haben, wird ihnen das 
lesende Publikum nicht mehr glauben; denn die offne Sprache des 
Souveräns wird nicht ohne Einfluß auf die öffentliche Meinung in 
Rußland bleiben. Diese Partei sucht sich nun schadlos zu halten 
dadurch, daß sie über die Preußenfreundschaft des Kaisers spottet. 
Man nennt den Besuch der Preußen (cxussische Worte) »deutsche 
Butterwoche«, man findet es unverantwortlich, daß dem Feldmarschall 
Grafen Moltke bei seinem Besuche im Generalstabe die General— 
stabskarte von Polen verehrt worden ist, man erzählt, der Feld— 
marschall und die ihn begleitenden Offiziere, die doch so vorsichtig 
in ihren Äußerungen sind, hätten mit Nichtachtung von den russischen 
Armeeeinrichtungen gesprochen, und derlei Unsinn mehr. Diese übel— 
wollenden Bemühungen mögen wohl hier und da auf fruchtbaren 
Boden fallen, sie werden aber meiner Ansicht nach nicht dahin ge— 
langen, den guten Eindruck zu verwischen, den der jetzt hier anwesende 
preußische Besuch hier zurücklassen wird.“ 
Was hier von der russischen Presse bemerkt wird, hatte ich 
schon aus einem Überblick über Außerungen von ihr ersehen, der, 
wahrscheinlich von Julius Eckardt in Hamburg gemacht, mir am 
15. Dezember von Bucher im Auftrage des Chefs übergeben wurde, 
und den ich auszugsweise der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung 
zum Abdrucke zustellte. 
Ich hatte inzwischen mit den Vorarbeiten zu der Schrift über 
die Internationale begonnen. Zu dem Zwecke machte mich Bucher 
auf die Aktenbündel des Zentralbüreaus aufmerksam, die Material 
dazu enthielten, und wies die Sekretäre an, sie mir auszufolgen. 
Dabei stieß ich auch auf die Beustsche Denkschrift über dieses Thema, 
die oben in der Tagebuchsnotiz vom 22. Oktober erwähnt worden 
ist, und schrieb sie mir in der Hauptsache ab. Sie war nach dem 
Stile wahrscheinlich von Beust selbst verfaßt, mindestens über- 
arbeitet, und trug eine etwas weitfaltige Toga, war aber nament- 
lich mit ihrer konstitutionellen Pose ein Aktenstück von nicht ge- 
wöhnlichem Interesse. Große Gedanken und neue Wege aber suchte 
ich vergeblich darin. 
Auf die österreichische Denkschrift folgte — vergl. die Aufzeichnung 
vom 14. April 1872 — eine preußische, und meines Wissens kam
	        
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