Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

308 Zweiundzwanzigstes Kapitel 2., 6. Febr. 1872 
An der Spitze des ungarischen steht der Fürst Czartoryski, an der 
des böhmisch-polnischen der Dr. Smolka und an der des für das 
Königreich arbeitenden Ignaz Lemwitz, der die polnische Jugend 
militärisch einübt." 
2. Februar. Der Chef berichtet dem Kaiser heute durch 
Abeken in betreff einer Meldung Arnims über den unbequemen 
Korrespondenten der Kreuzzeitung, daß man dieser eine Mahnung 
zur Vorsicht zugehen lassen werde, „aber kaum praktischen Erfolg 
davon erwarte, da dieses Blatt im allgemeinen den gouvernemen- 
talen Einwirkungen wenig zugänglich sei, und da in diesem Falle 
noch ganz besonders hinzukomme, daß der von Graf Arnim ge- 
nannte Urheber der anstößigen Korrespondenz seit etwa zwanzig 
Jahren in festen Beziehungen zu der Kreuzzeitung stehe und da- 
durch entscheidenden Einfluß auf die Pariser Korrespondenzen des- 
selben genommen habe,“ obwohl er dem Chef bei einer frühern 
persönlichen Berührung mit ihm als politisch beschränkter Kopf be- 
kannt geworden sei. 
6. Februar. Aegidi, der journalistische Thaumaturg, ist mit 
der Vorbereitung eines neuen Wunders beschäftigt. Früher sollte 
der seiner Natur nach lahme Reichsanzeiger, jetzt soll die Spenersche 
Zeitung, die in die Hände einer Aktiengesellschaft gelangt ist und 
umgegründet werden soll, mit seiner Hilfe in ein „Weltblatt“ ver- 
wandelt werden, von dem er Staunenswertes prophezeit. Schon 
seit einer Woche kreißt der Berg. Jetzt ist der Plan reif und, wie 
sein Urheber behauptet, dem Chef sehr genehm. Treitschke soll dem 
Blatt als Redakteur vorgespannt werden, Levysohn soll Frankreich, 
Alegander Meyer, ein eifriger Manchestermann, der vor zehn Jahren 
mit Julian Schmidt die Berliner Allgemeine Zeitung redigierte und 
sie nach etwa zweijähriger kränklicher Existenz des Blattes zu Grabe 
tragen half, soll das Departement der Nationalökonomie über- 
nehmen. Gestern erzählte mir Aegidi, er habe in der Sache schon 
zweimal an Treitschke telegraphiert. Ich zweifelte, daß er ein- 
willigen werde. Der kleine Herr wollte dagegen wissen, daß er 
„schwanke.“ Ich aber zweifelte weiter, indem ich geltend machte, 
daß bei Treitschke auf tägliches Leitartikelschreiben gerechnet werde, 
und daß er wissen müsse, dies werde ihn ruinieren. Aegidi aber 
war seiner Sache ziemlich gewiß. Hatte er sie doch eingefädelt,
	        
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