Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

3. März 1872 Zweiundzwanzigstes Kapitel 329 
vollkommen zum Beschluß gereift sein mag. Der Gedanke ist aber 
gutem Vernehmen nach durch einen Priester angeregt und empfohlen 
worden, der von Genf hierher gekommen ist. Derselbe heißt Mer— 
millod, ist aus Savoyen gebürtig und war in der Stadt Calvins 
zuletzt als Suffraganbischof angestellt. Er gehört zu den rührigsten 
Agenten für die Anerkennung des Unfehlbarkeitsdogmas und für die 
Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft des römischen Pontifex, 
in welcher Eigenschaft er die letzte Zeit allerlei Reisen durch Frank— 
reich und Belgien, wie andre wissen wollen, auch durch Deutschland 
unternommen hat. Zuletzt ist er mit dem Resultate seiner Beob— 
achtungen und Werbungen hierher gekommen, und es scheint, daß 
seine Berichte den Papst oder diejenigen, die auf dessen Entschlüsse 
den meisten Einfluß ausüben, bestimmt haben, das Schwanken 
zwischen der zum Bleiben und der zum Abzuge ratenden Partei 
aufzugeben und entweder nach Malta oder nach Trient zu gehen, 
um dort im April oder Mai das Konzil von neuem zu berufen. 
Hauptzweck würde dann wohl sein, von den versammelten Vätern 
eine starke Erklärung für die Notwendigkeit der weltlichen Macht 
zu erlangen. Nebenzweck des außerhalb Roms tagenden Bischof— 
parlaments wäre offenbar, vor Europa darzuthun, daß der Vatikan 
trotz des Garantiegesetzes, mit dem die italienische Regierung in 
ihrer Versöhnlichkeit und Nachgiebigkeit gegen die Kurie in der That 
alles Mögliche geleistet hat, der nötigen Freiheit ermangle. — Den 
zwanzig am 23. Februar vom Papst ernannten italienischen Bischöfen 
und infulierten Abten wurde die Weisung erteilt, ihre Ernennungs- 
bullen der königlichen Regierung nicht vorzulegen, und ihnen für 
den Fall, daß dieselbe ihnen dann ihre Temporalien nicht zahle, 
Entschädigung aus der pöäpstlichen Kasse zugesichert. Man sieht 
daraus, wenn der Papst nicht bloß angeblich, sondern auch wirklich 
nicht genug Freiheit hätte, Geld genug hat er." 
Man schreibt unterm 29. v. M. aus London: „Die Prinzessin 
Luise leidet in Cannes wieder am Knie, und Lord Lorne wollte 
Ihre Königliche Hoheit daher allein zurücklassen, während er selbst 
zur Erfüllung seiner parlamentarischen Pflichten hierher zurück- 
zukehren beabsichtigte. Die Königin hat ihm aber telegraphiert, daß 
dies nicht zulässig sei; entweder sei die Prinzessin wohl genug, um 
mitzukommen, und in diesem Falle habe die Königliche Hoheit ihn
	        
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