Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

10. März 1872 Zweiundzwanzigstes Kapitel 335 
und neuerdings vielgenannten Kanonikus und Priester in Posen, 
in dem ihm, wenn ich mich recht erinnere, gesagt wurde: Schicken 
Sie uns jetzt keine Petitionen mehr an den Reichstag. Dasselbe 
wurde gleichzeitig von einem oft genannten deutschen Bischof in 
französischer Sprache ebenfalls nach der Provinz Posen hinausge— 
sprochen: Hören Sie jetzt auf mit Petitionen; im Reichstage hilft 
das doch nichts, da führt es nur zu unangenehmen Diskussionen. 
Aber setzen Sie ja, sagt der erste Briefsteller, demnächst die Peti— 
tionen in regelmäßigen Zwischenräumen fort; richten Sie dieselben 
jedoch nicht an den Reichstag, sondern richten Sie sie direkt an die 
Fürsten, dort macht es immerhin mehr Eindruck. Wenn wir auch 
von den deutschen Fürsten nichts zu erreichen hoffen, so steht doch 
früher oder später mit Sicherheit in Aussicht, daß die katholischen 
Mächte zu Gunsten Seiner Heiligkeit einschreiten werden, und dann 
werden die deutschen Fürsten nicht wagen, dieses Einschreiten zu 
hindern, wenn sie durch die Petitionen den Eindruck bekommen, daß 
die katholische Bevölkerung damit sehr unzufrieden sein würde.« — 
Die Eventualität, die die beiden Herren, deren Äußerungen ich hier 
mit Absicht ausführlich noch einmal zitierte, im Auge haben, ist ein 
Kreuzzug Frankreichs gegen Italien; im Hinblick auf diesen soll 
Deutschland lahm gelegt werden. Die Briefsteller aber sind gutem 
Vernehmen zufolge Herr Windthorst und der Bischof von Ketteler; 
jener ist das hervorragendste Mitglied der Zentrumspartei, dieser der 
in französischer Sprache schreibende »oft genannte deutsche Bischof« 
der Rede des Reichskanzlers, und der Kanonikus endlich, dem jener 
seinen Plan zur Einschüchterung der deutschen Fürsten vorlegt, ist, 
wie man erraten haben wird, der polnische Prälat Kozmian.“ 
10. März. Letzten Abend erzählte mir Abeken, indem er sich 
nach Aegidi erkundigte, der seit etwa zehn Tagen, an Purrigo leidend, 
das Zimmer hüten muß, daß der Chef mich neulich oben gegen ihn 
erwähnt habe, und zwar als „unser Amerikaner.“ Er habe sich nicht 
auf den Namen besinnen können, und als er, Abeken, gefragt, wen 
er meine, habe er gesagt: „Nun, unser amerikanischer Freund, der 
mit uns in Versailles war.“ Augenscheinlich ein Mißverständnis. 
Der Fürst wird Multon, Hatzfeldts Schwager, im Sinne gehabt 
haben. 
Gestern brachte Bucher von oben den Gedankengang zu einer
	        
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