Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

8. Januar Sechzehntes Kapitel 21 
Sieg über unsre Truppen zuschreibt, während er doch wieder den 
Rückzug anzutreten gezwungen worden ist. 1 Der Chef scheint sich 
seit einigen Tagen einen Vollbart wachsen zu lassen. Delbrück er- 
wähnt beim Frühstück, daß er 1853 in Nordamerika gewesen und 
bis nach Arkansas gekommen sei. — Wagener erzählt, daß der 
Bundeskanzler, bevor er Minister geworden war, ein fleißiger Mit- 
arbeiter der Kreuzzeitung gewesen sei.? — Nachmittags ist Prinz 
(Krafft zu) Hohenlohe beim Chef, um ihm über den Gang und Er- 
folg des Bombardements Bericht zu erstatten — wohl schon Wirkung 
der Beschwerde. 
Nachmittags einen Bericht der France über den Gesundheits- 
zustand in Paris gelesen und dem Moniteur geschickt. Nach dem- 
selben sind die Todesfälle in der Woche vom 11. bis zum 17. De- 
zember auf die ungeheure Zahl von 2728 gestiegen. Namentlich 
raffen Pocken und Typhus viele Menschen hin. In den Lazaretten 
verbreitet sich der Hospitalbrand. Die Arzte klagen über den schlimmen 
Einfluß des Alkoholismus auf die Kranken, bei dem leichte Wunden 
zu schweren werden, und der unter den Soldaten in Paris stark 
zu grassieren scheint. Der Bericht schließt mit den Worten: „Bei 
dieser Gelegenheit und immer und immer wieder bemerken wir, wie 
das Laster der Trunksucht in seiner gemeinsten Gestalt (ivrognerie 
crapuleuse) in Paris Fortschritte macht, und für die Arzte und uns. 
bedarf es keiner von Trochu und Clement Thomas unterzeichneten 
Tagesbefehle, um das zu konstatieren und darüber zu seufzen. Ja, 
sagen wir es laut, die Schamröte steigt uns ins Gesicht, wenn wir 
jeden Tag Menschen, denen das Land seine Verteidigung anvertraut 
hat, sich mit greuelvollen Libationen erniedrigen und entehren sehen. 
Kann man sich demnach über alle diese durch unvorsichtigen Gebrauch 
von Schießwaffen herbeigeführten Unglücksfälle, über diese Unord- 
nungen, diese Zuchtlosigkeit, diese Gewaltthätigkeiten, diese zahl- 
reichen Plünderungen und Verwüstungen verwundern, die jeden Tag 
von den öffentlichen Blättern gemeldet werden, in einer Zeit ge- 
meldet werden, wo das Vaterland in Trauer ist, wo ein widriges 
Schicksal auf unser unglückliches Land Niederlagen auf Niederlagen 
  
1 Gemeint ist das Treffen bei Bapaume am 2. und 3. Januar. 
2 Darüber H. Kohl im Bismarck-Jahrbuch I, 469 ff. III, 398 ff.
	        
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