Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

346 Zweiundzwanzigstes Kapitel 14. April 1872 
der Lage Frankreichs. Nie, so hatte er geäußert, wäre es so ruhig 
gewesen, und der Süden wäre nicht mehr zu fürchten als Paris. 
Er hat ferner bemerkt, das gute Einvernehmen zwischen Preußen 
und Rußland beruhe mehr auf Familienverhältnissen als auf Inter— 
essengemeinschast und Sympathie der Völker. 
14. April. Andrassy hat durch den österreichisch-ungarischen 
Botschafter in Berlin das Vorgehen gegen die Internationale wieder 
angeregt und dabei ungefähr bemerkt, bei den Besprechungen in 
Gastein wäre zwar in betreff der gegen diesen Verein zu ergreifenden 
Maßregeln nichts Bestimmtes festgestellt worden, aber man habe doch 
die Überzeugung gewonnen, daß man beiderseits gleicher Meinung 
sei, und daß die deutsche Regierung in der Sache die Initiative er- 
greifen wolle. Jetzt gebe die Zuschrift der spanischen Regierung Ver- 
anlassung, auf die Angelegenheit zurückzukommen. Man wisse durch 
Schweinitz, daß die deutsche Regierung nicht gewillt sei, die Sache 
fallen zu lassen, vielmehr die Absicht habe, die Frage eingehend zu 
erwägen, und daß sie insbesondre den Gedanken verfolge, die be- 
stehenden Auslieferungsverträge durch Bestimmungen in betreff der 
Internationale zu vervollständigen. Es wird sodann eine Besprechung 
österreichisch= ungarischer und deutscher Fachmännner über die Ange- 
legenheit angeregt, die in Berlin stattfinden könne und das Ergebnis 
ihrer Beratungen den beiden Regierungen vorlegen möchte. Darauf 
hieß es weiter: „Als wirksame Maßnahmen, die den beiderseitigen 
Fachmännern bezeichnet werden könnten, möchten wir befürworten: 
das Verbot der Abhaltung von Kongressen der Arbeitervereine 
mehrerer Länder, das Verbot der Unterordnung inländischer Vereine 
unter eine auswärtige Leitung, endlich die vertragsmäßig zwischen den 
europäischen Staaten festzustellende Ausscheidung derjenigen gegen die 
Ausbreitung der Internationale zu treffenden Vorkehrungen, die eines 
gemeinschaftlichen Ubereinkommens bedürfen, und jener, die je nach 
den Landesgesetzen jedem einzelnen Staate zu überlassen sein werden. 
Wären diese Punkte durch gemeinsame Vereinbarung der beiden Re- 
gierungen geregelt, so könnte man sich mit der Frage beschäftigen, ob 
nicht außer den Repressivmaßregeln auch Vereinbarungen präventiver 
Natur in Erwägung gezogen werden könnten, die den Zweck hätten, 
die berechtigten Interessen der Arbeiterklasse zu wahren, um letztere 
den Einflüssen der sozialistischen Propaganda zu entziehen.“
	        
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