Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

16. Mai 1872 Zweiundzwanzigstes Kapitel 361 
nur ein Übergang zu Gambetta sein; daher erscheint mir als die 
wünschenswerteste Entwicklung der politischen Lage eine solche, die 
uns einerseits Zeit läßt, mit der jetzigen Regierung ein Abkommen 
über baldige Zahlung und Sicherung der drei Milliarden zu treffen, 
andrerseits aber den unvermeidlichen Regierungswechsel so zu be— 
schleunigen, daß die Anwesenheit unsrer Truppen im Lande uns 
noch Gelegenheit giebt, auf die Krisis einen bestimmten Einfluß zu 
üben.“ — In dem andern Berichte ist folgende Stelle von Wichtig— 
keit: „Herr Thiers entwickelt mir darauf in allgemeinen Umrissen 
den Plan, nach dem er bei Bezahlung der Kriegsentschädigung zu 
verfahren gedenke. Er wolle ein Anlehn von drei Milliarden machen. 
Auf dasselbe könnte, ohne den Geldmarkt zu sehr in Anspruch zu 
nehmen, nicht mehr als hundert Millionen monatlich eingezahlt 
werden, die das mit der Operation betraute Bankiersyndikat direkt 
an die deutschen Kassen abführen würde. Diese Zahlungen könnten 
im Sommer d. J. beginnen. Ein großer Teil der erst am 1. März 
fälligen Milliarden würde daher vor dem Termine bezahlt werden. 
Dieser Antizipation der Zahlung müsse daher eine Antizipation der 
Evakuation entsprechen. Ich unterlasse, ausführlich auf Einwände 
einzugehen, die ich gegen die Annehmbarkeit der von Herrn Thiers 
gemachten Vorschläge erhob, da dieselben zu sehr auf der Hand 
liegen, um nicht gemacht zu werden.“ 
1 6. Mai. Diesen Nachmittag von Bucher, der im Auftrage 
des Ministers kam, folgende Skizze zu einer aus Wien zu datierenden 
Korrespondenz erhalten: „Ich weiß nicht, ob man im Auslande den 
kleinen Koketterien gefolgt ist, die hier mit den Polen getrieben 
werden. Den renitenten Galiziern wurde die Aufforderung, bei Ver- 
lust des Mandats binnen vierzehn Tagen ihre Sitze im Reichstage 
einzunehmen, so spät zugestellt, daß die Vermählungsfeierlichkeiten 
noch in die Frist fielen, die Herren also noch als Abgeordnete diese 
Feste mitmachen konnten. Am 21. April, dem Tage, an dem der 
Mandatsverlust endlich ausgesprochen wurde, ernannte der Kaiser 
den Dr. Ziemialkowski, Bürgermeister von Lemberg, dessen revolu- 
  
1 B. wies den Vorschlag (Arnims) in einem Erlaß vom 12. Mai zurück, 
Bismarck-Regesten II, 47, vgl. über Arnims Politik in Frankreich G. u. E. 
II, 163.
	        
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