Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

366 Zweiundzwanzigstes Kapitel 11. Juli 1872 
daß die ecelesia militans, die gegen jedes geordnete Staatswesen 
sich in einem mindestens latenten Kriegszustande befindet, in diesem 
Augenblicke gegen Deutschland mit besondrer Furie angriffsweise 
vorgeht. Aber Deutschland würde auch allein sich dieser Angriffe 
zu erwehren wissen und nicht in Verlegenheit sein, wenn es zu 
einer Trennung der bisherigen Intimität zwischen Staat und Kirche 
genötigt und in ein Verhältnis gebracht würde, wie es in England 
und den Vereinigten Staaten besteht. Pessimisten würden sogar 
sagen: Wenn auf diesen Papst, der mit Ruten streicht, einer folgt, 
der mit Skorpionen züchtigen will, desto besser. Die deutsche Re- 
gierung aber will den Frieden mit den Katholiken und wünscht 
Frieden unter ihnen."“ 
Diese „aus dem heutigen Frühstücksgespräch entstandne“ Skizze 
soll für die Weser= oder die Magdeburgische Zeitung ausgeführt 
werden. Im übrigen werden Preßsachen jetzt nicht häufig vor- 
kommen, da der Fürst eine ziemlich energische Gleichgiltigkeit gegen 
den Zeitungsmantsch zu erkennen gegeben hat. Aegidi ist einige 
Tage in Varzin gewesen und hat den dringenden Wunsch geäußert, 
Bucher dort abzulösen, die Fürstin aber mag ihm nicht, und so ist er 
mit ungestillter Sehnsucht nach Gelegenheit zu Späher= und Horcher- 
diensten für Keudell am 8. über Kraupitschen nach Raudonatschen 
zu seinem Schwiegervater abgefahren. 
11. Juli. Von Bucher heute nachmittag wieder zwei Zu- 
schriften erhalten: 1. Anregung zu einem Artikel, der anknüpfend 
an Bambergers Aufsatz: „Der Genius des Reichskanzlers und der 
Genius des Reichstags“ (Lindausche Gegenwart, Nr. 24) sagen soll, 
daß „die Juden, die ehemaligen Juden im Reichstage, Lasker, Bam- 
berger, Friedenthal, der Vertreter von Hamburg und andre, die 
sich vielleicht noch herausfinden lassen, wahrscheinlich aus dem 
Grunde gegen das Jesuitengesetz! gesprochen und gestimmt haben, 
weil sie eine dunkle Ahnung empfunden haben, daß sich auch gegen 
sie und ihre Stammgenossen einmal eine allgemeine Entrüstung 
erheben und man auch gegen sie und ihr Treiben ein Ausnahme- 
gesetz fordern könne."“ 2. „Der Fürst wird jetzt für die Schwächlich- 
keit des Entwurfs zum Jesuitengesetze verantwortlich gemacht. Sehr 
  
1 vom 4. Juli 1872.
	        
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