368 Zweiundzwanzigstes Kapitel 13. Juli 1872
Wahlen gegen die monarchischen Parteien gestärkt hat. Aber das
Wiederauftreten Gambettas auf der politischen Bühne bedroht die Stel-
lung von Thiers sehr erheblich, und wahrscheinlich wird er die Linke in
kurzem ihm abtrünnig machen. Die Ziele der letztern werden dann
zunächst in Herstellung eines rein republikanischen Kabinetts bestehen,
und daraus wird sich vermutlich eine Präsidentschaft Grévy ent-
wickeln, bis man eines Tags vor der Diktatur Gambettas stehen
wird. Für das deutsche Interesse wäre eine solche Wendung nicht
günstig. Thiers und Favre (der der parlamentarischen Linken zuerst
zum Opfer fallen würde) sind ohne Zweifel die Staatsmänner, die
uns am bequemsten sind und sein würden. Von Gambetta wissen
wir, daß er sich in diesen Tagen noch gegen einen Bekannten
geäußert hat, Frankreich werde durch die Republik befähigt werden,
einen erfolgreichen Vergeltungskrieg gegen die Deutschen zu führen,
und dies Ziel gedenke er mit allen Mitteln zu erstreben; schon heute
hätte Frankreich die Macht zu einem solchen Kriege, falls er als
revolutionierender geführt würde. Natürlich wird er dergleichen An-
und Absichten nicht sofort in der Nationalversammlung vortragen.
Dagegen erwartet man, daß er sich durch Befürwortung der Ein-
kommensteuer den kleinen Mann, den Arbeiter, den Kleinbürger,
das Volk auf dem platten Lande zu Danke verpflichten bemüht sein
wird, Klassen, in denen er ohnehin schon viel Anhänger zählt. So
werden er und seine Freunde schon in den Pariser Gemeinderat
kommen, der am 23. d. M. gewählt werden wird. Bei der Armee
gilt er ebenfalls nicht wenig. Zunächst halten Oberoffiziere wie
Faidherbe zu ihm; dann sehen ihn alle während des Kriegs von
ihm ernannten Offiziere als ihren natürlichen Beschützer gegen die
von der Regierung ins Auge gefaßte Zurücksetzung an, endlich aber
muß er, nach den letzten Wahlen der in Paris stehenden Truppen
zu schließen, auch unter den Soldaten zahlreiche Freunde haben;
denn er bekam dabei von denselben 1700 Stimmen, während der
Kriegsminister Cissey, der doch vorher ein Armeekorps geführt hatte,
deren nur 1200 bis 1300 erhielt."
Bucher schickt aus Varzin folgende Notiz zur Verbreitung in
der Presse: „Von einer Seite, wo man, so nahe dem Orte, besser
unterrichtet sein könnte, ist die Angabe verbreitet worden, daß die
dem Fürsten Bismarck als Dotation verliehenen Domänen im Herzog-