Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

18. Juli 1872 Zweiundzwanzigstes Kapitel 369 
tum Lauenburg jetzt einen jährlichen Ertrag von 40000 Thalern 
gewährten, der beim Ablaufe der Pachtverträge leicht auf das drei— 
fache gebracht werden könne. Die Wahrheit ist, daß die bezeichneten 
Domänen gegenwärtig 34016 Thaler eintragen, unter welcher Summe 
3500 Thaler Pacht für Jagd und mehr als 2000 Pacht für kürftig 
wegfallende Zwangs= und Bannrechte begriffen sind, daß auch durch- 
aus keine Pachtobjekte existieren, die eine erhebliche Steigerung des 
Ertrags erwarten lassen, da der ganze Besitz in Forsten besteht, 
die nach Abzug obiger in Zukunft wegfallender Rechte ein Ein- 
kommen von rund 28000 Thalern übrig lassen." 
18. Juli. Reuß hat mit Schuwalow am 30. v. M. über die 
soziale Frage gesprochen und soll damit fortfahren. Der Chef hat 
zu mehreren Außerungen des Grafen Randbemerkungen gemacht 
und unter anderm darauf hingewiesen, daß von den Arbeitgebern 
eingerichtete Sparkassen bei uns längst existierten, namentlich bei 
Krupp und zahlreichen andern großen Industriellen. Die Regierung 
würde gern alles thun, um diese Einrichtungen, mit denen sich auch 
unfre Gesetzgebung bereits beschäftigt hat, zu befördern. Ein Präser- 
vativ gegen Streiks sei das Sparkassenwesen allerdings nicht. Es 
wirke aber doch sehr wohlthätig auf den vernünftigern Teil der 
Arbeiter. Auch Schiedsgerichte seien wohlthätig. Die Regierung 
habe endlich längst die Absicht, das Strafrecht zu ergänzen, namentlich 
auch in betreff der Vereine, die unter ausländischen Obern stehen, 
und in betreff der Bedrohung von Arbeitern, die nicht streiken 
wollen. Indes müßten solche Fragen systematisch behandelt werden, 
und dazu sei es wegen der langwierigen Krankheit des Justizministers 
noch nicht gekommen. Auf eigne Hand wolle der Fürst nicht die 
dilettantische Arbeit treiben, wie sie in Rußland üblich ist. Auch 
die zwischen uns und Osterreich in Aussicht genommnen Konferenzen 
setzen, wenn sie zu praktischen Ergebnissen führen sollen, eingehende 
Vorarbeiten in den verschiednen daran beteiligten Ministerialressorts 
voraus. Zu diesen gehört außer dem Justizministerium auch das 
des Innern und das Ministerium für Handel, Gewerbe und öffent- 
liche Arbeiten. Dieses hat über sozialpolitische Fragen Besprechungen 
mit Vertrauensmännern veranlaßt und zwar von dem prinzipiellen 
Standpunkte aus, daß nur solche Aufgaben in Beziehung auf die 
Arbeiterfrage ins Auge zu fassen seien, zu deren Erfüllung der 
Busch, Tagebuchblätter II 21
	        
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