Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

15. August 1872 Zweiundzwanzigstes Kapitel 373 
Papstes durch das Konklave ausübt, damit einen viel weniger geist— 
lichen Akt vollzieht, als die gedachte direkte Beteiligung der pro— 
testantischen Kurfürsten bei der Krönung der alten katholischen Kaiser 
in sich schloß. Gegen den Schluß sagt das Blatt, Pius der Neunte 
habe sich schon wiederholt an alten ehrwürdigen Satzungen der 
Kirche vergriffen; wollte er jetzt auch das Recht der Ablehnung 
mißliebiger Kandidaten, die sich auf die Grundverfassung der Kirche 
stützen, in Frage stellen, so laufe er Gefahr, seinen Nachfolger 
nicht anerkannt zu sehen und ein verderbliches Schisma hervor— 
zurufen. So das italienische Blatt. Eine ganz andre Frage ist 
es, ob der deutsche Kaiser und seine Räte daran denken, das be— 
sprochne Exklusivrecht in Anspruch zu nehmen.“ 
15. August. Unterm 12. d. M. hat Eckardt in Hamburg dem 
Auswärtigen Amte wieder einmal Bericht über den Inhalt russischer 
Zeitungen erstattet. Es ist darin namentlich eines Aufsatzes des 
Amerikaners (richtiger Engländers) Dixon gedacht, der über die 
Absichten Deutschlands auf die russischen Ostseeprovinzen verschiedne 
Thorheiten vom Stapel gelassen hat, die widerlegt werden sollen. 
Ich besorge das in einer Korrespondenz für die Kölnische Zeitung, 
die folgendermaßen lautet: „Im Juliheft der russischen Monats- 
schrift Besseda begegnen wir einem Artikel des in neurer Zeit oft 
genannten englischen Vielschreibers Hepworth Dixon, in dem die 
Russen vor der deutschen Agitation zu Gunsten der baltischen Pro- 
vinzen, die notwendig zu dem nächsten europäischen Kriege führen 
müsse, eindringlich gewarnt werden. Es sei mit derselben, meint 
Dixon, wie der frühern Agitation für die Abreißung Schleswig- 
Holsteins von Dänemark, die auch erst sehr bescheiden ausgesehen, 
dann aber die widerwilligen deutschen Staatsmänner mit fortgerissen 
habe. Bis jetzt zwar wolle der vernünftige Teil des deutschen 
Volkes von der Sache nichts wissen. Namentlich seien die maß- 
gebenden Staatsmänner, Fürst Bismarck unter andern, ihr gründlich 
und grundsätzlich abgeneigt. Die Erfahrung lehre jedoch, daß die 
Fanatiker allenthalten energischer und rühriger seien als die Männer 
der ruhigen Überlegung, und somit sei bestimmt vorauszusehen, daß 
die von geschickten baltischen Wortführern genährte Agitation in 
Deutschland fortwährend weitergreifen und schließlich zu einem Kriege 
gegen Rußland führen werde. Der Golos hält es für Pflicht,
	        
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