Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

15. Februar 1873 Zweiundzwanzigstes Kapitel 393 
über fundamentale Grundsätze deutscher Politik“ zwischen sich und 
ihm. Der Botschafter behauptet, eine solche Verschiedenheit der An- 
sichten existiere nicht. Wenn der Fürst als nächste politische Auf- 
gabe in betreff Frankreichs bezeichne, dieses „nicht bündnisfähig 
werden zu lassen,“ so habe er, Arnim, „diesen Zielpunkt gleichfalls 
immer im Auge gehabt.“ Nur hinsichtlich des Weges, der zu diesem 
Ziele führte, habe er eine Meinung geäußert, die von den An- 
schauungen des Chefs (der diesen Weg in der Erhaltung der Republik 
sieht und Thiers zu diesem Zweck unterstützt wissen will) abweiche. 
Dies ist nach den Zitaten aus frühern Depeschen ebensowenig wahr 
als dessen Behauptung, nach seiner im Oktober v. J. erfolgten Rück- 
kehr nach Paris habe er „den Präsidenten mehr als wünschenswert 
gewachsen gefunden.“ Hinsichtlich der letzten Behauptung zitiert 
Bucher die Sätze: „Es fragt sich schon heute, ob Thiers, der einen 
Pakt mit dem Agitator (Gambetta) geschlossen zu haben glaubte, 
ihm noch gewachsen ist“ (Bericht vom 3. Oktober), und: „Die Ver- 
längerung des jetzigen Regimes nützt lediglich dem wilden Radikalis- 
mus, in dessen Programm die Revanche Hand in Hand geht mit 
dem Kampfe gegen die Monarchien und den ganzen sozialen Bestand 
Europas“ (Bericht vom 13. November). Ferner will Arnim in seiner 
jetzigen Entschuldigung glauben machen, er habe früher „nicht ohne 
Bedenken gesehen, wie Thiers sich anschickte, die Gewalt für eine 
Reihe von Jahren sich zu sichern.“ Der Chef hat dazu bemerkt: 
„Das sah er wohl nicht.“ Bucher aber zitiert aus einer Depesche 
des Botschafters vom 30. November die Stelle: „Die Summe von 
Macht, die er anhäuft, wird in andre Hände (Gambettas Hände) 
übergehen.“ Endlich behauptet der Graf jetzt nur empfohlen zu 
haben, „das Ansehen des Herrn Thiers nicht mehr so unbedingt 
wie früher durch die inspirierte deutsche Presse zu stützen“ Sein 
Glossator dagegen bemerkt: „Im Bericht vom 29. November hält 
der Botschafter an seiner Ansicht fest, daß die Regierung des Präsi- 
denten eine Quelle ernstlicher Beunruhigung für das monarchische 
Europa sein muß.“ In der Depesche vom 30. November empfiehlt 
der Graf Arnim, „eine Krisis herbeizuführen, aus der entweder 
Gambetta oder eine sich an Deutschland anlehnende Regierung her- 
vorgehen würde.“ Gambetta würden wir niederzuwerfen berechtigt 
und (nach seiner Darstellung wegen der Propaganda) genötigt sein.
	        
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