Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

9. Januar Sechzehntes Kapitel 27 
tapfer sein. Aber für den Verwundeten ist es doch eine Auszeich— 
nung, die eine Art Ausgleichung ist.“ — „Ich erinnere mich, wie 
ich ein junger Mann war, da lief ein Herr von Reuß in Berlin 
herum, der hatte das Kreuz auch. Ich dachte wunder was der 
gethan hätte, hernach erfuhr ich aber, daß er einen Minister zum 
Onkel hatte und dem Generalstabe als Galopin beigegeben gewesen 
war.“ Delbrück erinnerte sich des Mannes auch und erzählte, daß er 
sich später, in eine Untersuchung wegen Ungehörigkeiten in Wechsel— 
sachen verwickelt, den Hals abgeschnitten habe. 
Plötzlich sagte der Kanzler: „Serenissimum habe ich nun wohl 
drei Wochen nicht zu sehen bekommen. Mit Serenior ists nicht so 
lange her. Die Sereni schneide ich.“ — „Ich erinnere mich, in 
Göttingen — fuhr der Chef fort —, da nannte ich einmal einen 
Studenten einen dummen Jungen. Als er dann zu mir schickte, 
sagte ich, mit dem dummen Jungen hätte ich ihn nicht beleidigen 
wollen, sondern bloß meine Überzeugung auszusprechen beabsichtigt." 
Bei Fasan und Sauerkraut bemerkte jemand, daß der Minister 
lange nicht auf die Jagd gegangen sei, während doch die Wälder 
zwischen hier und Paris voll Wild seien. „Ja — versetzte er —, 
hier kam mir immer was dazwischen. Das letzte mal war es in 
Ferrieres, da war der König fort, der hatte es verboten — d. h. 
im Parke —, wie er denn auch jetzt gesorgt hat, daß Ferrieres ge- 
schont wird. Bloß weil es einem reichen Juden gehört.“ — „Wir 
gingen auch nicht in den Park, und es war genug da, aber es 
wurde nicht viel geschossen, weil die Patronen nichts taugten.“ 
Holstein, der sich beiläufig als ungemein liebenswürdiger, auch 
sehr fleißiger und dienstbereiter Mann entwickelt, bemerkte dazu: 
„Das erzählt man so, Exzellenz. Sie hätten den Befehl Seiner 
Majestät wohl gekannt und ihn natürlich beachten wollen. Sie 
wären aber einmal spazieren gegangen, und da hätte das Unglück 
gewollt, daß Sie plötzlich von drei oder vier Fasanen angefallen 
worden wären, und so hätten Sie sie zur Verteidigung Ihres Lebens 
totschießen müssen.“! 
Der französische Rothschild wurde Anlaß, daß des deutschen 
gedacht wurde, von dem der Chef eine ergötzliche Geschichte zu be- 
  
1 Siehe S. 245 des ersten Bandes.
	        
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