Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

31. Okt. 1875 Dreiundzwanzigstes Kapitel 411 
Arnimschen Libells Pro Nibilo Gelegenheit,! dessen Verfasser in 
den Grenzboten") die Larve abzunehmen und ihn dahin zu stellen, 
wohin er gehörte. 
  
1 Die Schrift erschien im Oktober 1875, nachdem Graf Arnim am 16. Juni 
vom Kammergericht in letzter Instanz wegen vorsätzlicher Beseitigung amtlicher 
Urkunden zu neun Monaten Gefängnis verurteilt worden war und sich durch die 
Abreise nach der Schweiz der Strafe entzogen hatte. Am 21. Oktober verwarf 
das Obertribunal auch seine Nichtigkeitsbeschwerde. Bismarck-Reg. II, 112. 113. 
Poschinger, Parlamentarier II, 395. 
*) Nr. 47 (1875) S. 310. In dem Artikel heißt es: „Für uns geht saus 
dem Buche] nur deutlicher und unwidersprechlicher hervor, was wir bereits 
wußten, daß nämlich der Reichskanzler es in seinem Botschafter bei Thiers und 
Mac Mahon mit einem eingebildeten, ungehorsamen Untergebnen zu thun hatte, 
der seinen eignen Kopf haben wollte, der neben, nicht unter ihm Politik treiben 
zu dürfen wähnte, der gegen ihn mit gleichgesinnten Freunden in Berlin am 
Hofe Ränke spann, und der schließlich mit beispielloser Indiskretion seinem un- 
gehörigen Thun die Krone aufsetzte, indem er, um sich weißzubrennen und zu 
rächen, mit Schriftstücken an die Offentlichkeit trat, die derselben unter allen 
Umständen verborgen bleiben mußten. Und andrerseits ersehen wir aus der 
Broschüre, trotz aller Verzerrung und Verdunklung der Thatsachen, in betreff 
des Reichskanzlers nur, daß er ein solches Treiben nicht in der Ordnung fand, 
es nicht duldete und, ohne Rücksicht auf die hohe Stellung der Pariser Exzellenz 
und deren Gönner, nach Gebühr strafte. Dafür aber können wir ihm nur unsern 
tiefempfundnen Dank sagen. Er hat mit der alten preußischen Tradition, die 
noch unter den letzten seiner Vorgänger wie mancher andre Unfug fortlebte, 
gebrochen. Er hat mit rücksichtsloser Strenge und Festigkeit seine Stellung als 
allein verantwortlicher Minister und damit das konstitutionelle Prinzip für die 
auswärtigen Angelegenheiten des Deutschen Reichs zur Geltung gebracht und gegen 
die auf absolutistische Behandlung derselben abzielenden Schritte Arnims zum 
Siege geführt. Er hat, wie er sich im Erlasse vom 19. Juli 1873 selbst aus- 
drückt, „Anträge an Seine Majestät den Kaiser gerichtet, die notwendig waren, 
um die Einheit und Disziplin im auswärtigen Dienste zu erhalten und die 
Interessen des Reichs vor verfassungsmäßig unberechtigter Schädigung sicher zu 
stellen.# Vgl. auch G. u. E. II, 162 ff. 
„Der Herr Graf nennt das Ministerialdespotismus . Wir nennen es 
unbedingt erforderliche, streng aufrecht zu erhaltende Subordination. Jener nimmt 
Anstoß daran, daß der Reichskanzler einmal gesagt hat: „Meine Botschafter 
müssen einschwenken auf Kommando wie die Unteroffiziere, ohne zu wissen, warum. 
Wir dagegen finden, daß dies ganz vortrefflich das Verhältnis bezeichnet, das 
zwischen dem leitenden Geiste im Auswärtigen Amte und seinen Filialen an den 
fremden Höfen immer bestehen sollte, namentlich aber jetzt, wo ein ureignes 
Genie wie der Fürst Bismarck in diesem Amte waltet.“ Vgl. auch die G. u. E. II, 
162 ff.
	        
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