7. April 1877 Dreiundzwanzigstes Kapitel 415
Grund zu suchen, der den Fürsten seine Entlassung zu verlangen
bewogen hat. Er liegt in der von ihm mehrfach in öffentlichen und
privaten Äußerungen betonten Friktion mit den Bestrebungen ge—
wisser Kreise am Hofe, die vor allem unter ultramontanen, dann
aber auch unter andern dem Wollen und Wirken des Reichskanzlers
den Weg zu verlegen bemühten Einflüssen stehen — einer Friktion,
die, wenn sie auch die Kräfte aufreibe, ertragen werden könnte und
müßte, wenn sie nicht von Jahr zu Jahr mehr zur Hemmung zu
werden gedroht, wenn sie nicht die Vollmachten, deren der Kanzler
zur Ausführung seiner auf das Wohl des Vaterlands und nament—
lich auf die notwendigen Verteidigungsmaßregeln gegen die Ansprüche
und Ränke Roms gerichteten Gedanken unbedingt bedarf, bereits
wiederholt zurückgehalten hätte. Geht der Fürst, so haben in erster
Linie die Ultramontanen triumphiert, und so haben sie ihren Erfolg,
wir andern aber dieses Nationalunglück — wie ich das Zurücktreten
des Staatsmannes, der das neue Deutschland geschaffen, und der
es allein auszubauen berufen zu sein schien, sicher im Einvernehmen
mit allen echten und erleuchteten Patrioten nenne — ebenfalls in
erster Linie der Einwirkung einer hohen Dame und den Kreisen zu
danken, in denen dieselbe sich schon seit Jahren mit Vorliebe be—
wegte.
„Das Straf- und Preßgesetz gebietet der Feder Halt. Vielleicht
nimmt Ihr Blatt künftig einmal einen Aufsatz über die Politik im
Unterrock auf, die leider in der Wirklichkeit nicht so komisch, wie sie aus—
sieht, vielmehr fast an allen Höfen mit größerm oder geringerm Erfolge
am Werke ist. Man sprach schon vor 1870 von gewissen rheinischen
Einflüssen, man wollte während des Krieges von Verkehr mit einem
französischen Monsignore wissen, man erzählt sich unter Leuten, die
das nicht bloß von schweizerischen Wirtstafeln her erfahren haben
müssen, von Zusammenkünften mit einem römischen Kirchenfürsten,
der eins der großen Lichter des Ultramontanismus der Westschweiz
ist. Allbekannt ist endlich, welche Einwirkung eine vornehme pol—
nische Familie in Berlin, in deren Hotel alle Velleitäten der
Kaplanokratie zu Tische sitzen, bis in die höchsten Kreise der Reichs-
hauptstadt hinauf ausübt.
„Aber genug für jetzt. Vielleicht schon zu viel. Gott bessers!
Fürst Bismarck geht — wenn die Dinge nicht schon in dieser Woche