12. April 1877 Dreiundzwanzigstes Kapitel 425
menschlich. Man sollte sie besser erziehen, sodaß sie wüßten, wie
es unten aussieht, wie es wirklich ist. Nicht Schein, die Wahrheit.
Die großen Könige haben sich immer an die gehalten und sich doch
nichts damit vergeben.“
Die Unterhaltung lenkte hiervon auf Erziehung im allgemeinen
ab, und der Fürst bemerkte u. a.: „Ich bin nicht richtig erzogen.
Meine Mutter ging gern in Gesellschaft und kümmerte sich nicht
viel um mich. Später kam ich in eine Erziehungsanstalt, wo ein
zu strenges System herrschte, wenig und schlecht zu essen, Ab—
härtung, im Winter in leichten Jacken, viel Zwang und Methode
und widernatürliche Dressur.“ 1 — Ich sagte, zu große Strenge in
Schulen und Pensionaten sei nicht gut, oft fühlten die jungen Leute
sich dann, nach Beseitigung des Zwanges, nach der Entlassung zu
frei, und während er noch daure, suchte die eingeschnürte Natur
ihr Recht in Schleichwegen. Ein Beispiel seien die sächsischen
Fürstenschulen, deren Zöglinge es häufig als Studenten am ärgsten
trieben. — Er erwiderte, das sei richtig, es sei auch bei ihm der
Fall gewesen, als er mit siebzehn Jahren die Universität bezogen
hätte, was er darauf weiter ausführte. Dann fuhr er fort: „Mit
meinen Söhnen war es anders. Die haben es aber wieder zu gut
gehabt. Sie haben zu gut gegessen, wie das in Diplomatenhäusern
zuzugehen pflegt, und später ist das mit Herbert so fort gegangen,
als er seine Lehrzeit auch in solchen Häusern verbrachte."
Dieser hatte sich mittlerweile auch eingefunden, und als sein
Vater mich ihm vorgestellt hatte, sich meiner von Pont a Mousson
und Versailles wohl erinnert.
Zwischen acht und neun Uhr zogen sich die Fürstin, die Kom-
tesse und Graf Herbert zurück und kamen nach einer Weile um-
gekleidet, die Damen in Gala, der Graf in Dragoneruniform, zurück,
um in eine Hofgesellschaft zu gehen. Die polnische Dame verschwand
mit ihnen, wir andern blieben auf Wunsch des Fürsten, unterhielten
uns weiter und rauchten dazu, der Kanzler aus einer langen Pfeife,
während eine zweite, auf die erste wartend, gestopft an seinem
Stuhle lehnte.
Um zehn Uhr erhob sich der General und ich desgleichen.
1 Plamann 1822—27.