17. Okt. 1877 Vierundzwanzigstes Kapitel 453
Stube zum Umziehen einräumten und die Anmeldung im Herren-
hause besorgten. Nach einer Weile kam ihr oberster, ein Mann
mit langem Vollbarte, dem ich in Versailles begegnet war, zurück
und berichtete: „Durchlaucht läßt bitten.“ Ich hatte mich inzwischen
in den mitgebrachten Leibrock geworfen und fuhr nun in meiner
Postkutsche zurück und vor die Stufen zur Thür des Herrenhauses,
wo mich zwei Diener empfingen, die mich und meine Reisetasche
nach einem Zimmer im ersten Stocke beförderten. Es ist eine
hübsche große Stube, die durch einen breiten, bis an die Decke
gehenden Vorhang in ein Wohn= und Schlafgemach geteilt wird.
Nach einer Viertelstunde wurde ich zum Frühstück gerufen,
das unten in einem Salon aufgetragen war, und bei dem ich zu-
nächst nur den Grafen Herbert, den General Erckert, den Geheimen
Regierungsrat Tiedemann und ein Fräulein Jenny Fatio antraf,
eine Französin aus Orb in der Westschweiz, die, schon seit Jahren
im Hause des Fürsten, ihm jetzt, wo seine Gemahlin noch eine Kur
in Tölz brauchte, hier die Wirtschaft führte.
Nach einigen Minuten kam er selbst, der soeben seinen Morgen-
spaziergang gemacht hatte. Er trug einen Zivilanzug, worin ich
ihn noch nicht gesehen hatte: schwarzen Rock, Weste und Beinkleider
von gleicher Farbe und ein weiches, weißes Halstuch mit bläulich-
roten Tüpfchen. Er reichte mir die Hand und war sehr freundlich.
Als er sich zu uns an den Tisch gesetzt und ein paar Bissen ge-
gessen hatte, bemerkte er: „Als ich vorhin spazieren ging, im Walde
draußen, und Ihr Posthorn hörte, Herr Doktor, da dachte ich, das
ist gewiß wieder so ein Kroat oder Magyar, der mit mir über
Politika disputieren und mir mit seinen Ratschlägen beispringen will,
und wollte mich eben davon machen, als ich mich besann, daß Sie
sich von Leipzig angemeldet hatten. Einmal kam einer, der ließ
mir sagen, als ich ihn nicht empfangen wollte, wenn er nicht vor-
käme, so würde er sich hängen. Ich ließ ihm zurück sagen, wenn er
nicht umhin könnte, so wollte ich ihm den neusten und festesten
Strick vom Boden holen lassen, zu sehen aber kriege er mich nicht.
Er ist dann wieder abgereist, und ein Leids hat er sich meines
Wissens nicht angethan.“
Während er seine Milch und seinen schwarzen Kaffee trank,
las er die am Morgen eingelaufnen Briesschaften, Berichte und