Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

18. Okt. 1877 Vierundzwanzigstes Kapitel 463 
hier gegessen wird — sagte der Fürst eines Abends zu mir —, 
stammt von meinen Gütern — auch aus Schönhausen —, Fleisch, 
Geflügel, Wild, Fische, die Gemüse, die Artischocken, die hier freilich 
nicht so gut geraten wie im Süden, die Pfirsiche, die Wal= und 
Haselnüsse. Nur ein Schaf muß ich dann und wann von den 
Bauern kaufen, und um ein Rind zu schlachten, ist meine Wirtschaft 
nicht groß genug. Das kann bloß Dietze, der in seiner Brennerei 
und Zuckerfabrik so viel Leute beschäftigt, die bei ihm essen.“ Daß 
der Keller von Varzin gut versehen ist, bedarf wohl kaum der An- 
deutung. 
Wir setzen unfre Wanderung durch das Haus fort und ge- 
langen durch eine Flügelthür in der Wand mit den Prairiebildern 
aus dem Speisezimmer in den Gesellschaftssalon, der etwa die Größe 
von jenem hat, und dessen Tapeten, oben mit schmalen Goldleisten 
eingefaßt, auf rehfarbnem Grunde rotbraune und goldig schimmernde 
Phantasieblumen zeigt. Das Möblement besteht aus Tischen mit 
Marmorplatten und vergoldeten Füßen, aus Polsterstühlen und 
Divans, die mit hellroter Seide überzogen sind, einem großen 
Spiegel mit goldnem Rahmen und marmorner Konsole, auf der eine 
Lampe mit der Bronzefigur eines Düppelstürmers, ein Geschenk 
des Königs, und zwei rosenrote von weißen Schlangen umringelte 
Porzellanvasen stehen. Die eine Ecke schmückt eine größere Vase von 
diesem Material, blau in Gold, mit dem Brustbilde Kaiser Wilhelms, 
der sie dem Fürsten zur Feier seiner silbernen Hochzeit! übersandt 
hat. In einer andern bemerken wir eine Statue des Fürsten von 
gebranntem Thon. An den Wänden hängen einige Olgemälde, eine 
Waldlandschaft aus der Varziner Gegend, eine Ansicht von Gastein, 
zwei, wie es scheint, ideale Frauenporträts, eine Szene aus der 
Schlacht von Mars la Tour und an der Wandseite daneben in 
ganzer Figur ein Soldat des vorigen Jahrhunderts in gelblich 
weißer Uniform, Küraß, Dreispitz und Steifstiefeln, der eine Mus- 
kete in der Hand hält. Es ist, wenn ich recht gehört habe, ein 
Urgroßvater des Kanzlers, der als Dragoneroberst bei Czaslau den 
Tod fand. 
Das nun folgende Frühstücks= und Billardzimmer ist mehr als 
  
1 28. Juli 1872. S. G. u. E. II, 295.
	        
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