Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

10. Januar Sechzehntes Kapitel 35 
Der Chef kommt um halb elf Uhr zum Thee herunter, den 
auch Graf Bill mit uns trinkt. Abeken kehrt vom Hofe zurück und 
bringt die Nachricht mit, daß die Festung Péronne mit einer Garnison 
von dreitausend Mann kapituliert hat. 1 Der Chef, der sich gerade 
die Illustrierte Zeitung besieht, seufzt und sagt: „Wieder dreitausend! 
Wenn man sie doch in der Seine versäufen könnte — oder wenigstens 
den Kommandanten, mit Rücksicht darauf, daß er sein Ehrenwort 
gebrochen hat.“ 
Das giebt Anlaß zu einem Gespräch über die vielen Gefangnen 
in Deutschland, und Holstein meint, es würde schön sein, wenn 
man sie an Strousberg zu Eisenbahnbauten vermieten könnte. 
„Oder wenn man — sagt der Chef — den Kaiser von Rußland 
bestimmen könnte, sie in den Ländern jenseits des Kaukasus in 
Militärkolonien anzusiedeln. Das sollen ja schöne Länder sein. Für 
uns werden diese Massen von Gefangnen wirklich eine Verlegenheit 
sein nach dem Frieden. Sie haben dann gleich ein Heer und von 
ausgeruhten Leuten.“ — „Es wird wirklich nichts übrig bleiben, 
als sie Napoleon zu geben. Der braucht zweimalhunderttausend 
Prätorianer, wenn er sich halten will.“ 
„Denkt der denn wirklich wieder an die Regierung zu kommen?“ 
fragte Holstein. 
„O sehr — erwidert der Chef —, außerordentlich sehr, ganz 
ungeheuer, denkt Tag und Nacht daran, und die in England auch.“ 
Holstein erzählte schließlich die Geschichte in Spandau, wo sich 
Leute von der englischen Gesandtschaft vor dem Orte, wo man 
französische Gefangne verwahrt hat, ungehörig und zuletzt gewalt- 
thätig betragen haben und dabei übel weggekommen sind. Cockerill 
sei unter die Füße getreten und furchtbar zerbläut worden, sodaß 
er nachher „ganz farbig ausgesehen“ habe. Loftus habe zuerst 
nichts daraus machen wollen, sei aber von den übrigen Diplomaten 
zur Beschwerdeführung aufgesungen worden. 
„Haben Sie denn diesen Cockerill feste gehauen?" fragte Graf Bill. 
„O gewiß — bestätigte Holstein —, sehr feste. Und Miß (Name 
unverständlich), die für ihn hat eintreten wollen, hat auch ein paar 
Schläge mit abgekriegt." 
  
1 9. Januar. 
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