Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

480 Vierundzwanzigstes Kapitel Varzin 
Sachsenwalde einrichten werde, wie jetzt in Varzin, da Friedrichsruh 
näher bei Berlin läge und das dortige Klima milder wäre als das 
hinterpommersche; auch hätte er da wichtige private Interessen und 
Geschäfte. Daran schloß er wieder die Klage, daß Varzin ihm 
wenig einbringe. — Später bemerkte er im Laufe des Gesprächs: 
„Ich hätte Lust, mich vom König zum Generaladjutanten machen 
zu lassen. Das ist ganz verfassungsmäßig, und ich könnte als solcher 
mehr Einfluß ausüben wie als Minister. Wie wars denn unter 
Friedrich Wilhelm IV.? Da konnte Manteuffel nichts machen ohne 
den Willen Gerlachs, des Generaladjutanten.“!1 
Beim Kaffee, als die Kösliner fort waren, erzählte der Chef 
die Geschichte vom Cigarrenrauchen der Bundesmächte in Frankfurt 
in etwas andrer Version, als ich sie von ihm in Ferrieres gehört 
hatte.: Er sagte: „Es war in der Militärkommission. Zuerst rauchte 
bloß Buol. Da zog ich eines Tages eine Cigarre vom Leder und 
bat ihn um etwas Feuer. Er gab mirs mit etwas betretnem Gesicht 
über ein solches Unterfangen und zu höchlichem Erstaunen der andern 
Mächte. Das wurde dann an die verschiednen Höfe gemeldet — 
auch nach Berlin; denn es erfolgte eine Anfrage vom Hochseligen, 
der selber nicht rauchte und die Sache vermutlich nicht nach seinem 
Geschmacke fand. Darauf rauchten wohl ein halbes Jahr nur die 
beiden Großmächte. Plötzlich erschien auch Bayern mit der Cigarre, 
und nach einiger Zeit folgte Sachsen nach. Zuletzt durfte auch 
Württemberg nicht zurück bleiben, aber der Vertreter seiner Würde 
mußte sich offenbar Zwang anthun, er paffte seinen gelben Glimm- 
stengel mit mürrischer Entschlossenheit und legte das Ding halb auf- 
geraucht hin. Nur Hessen-Darmstadt enthielt sich, wahrscheinlich 
in dem Bewußtsein, zur Rivalität nicht groß genug zu sein.“ 
Beim Thee im Zimmer der Fürstin stand der Chef plötzlich 
auf, ging an den Schreibtisch seiner Gemahlin und begann, eine 
der dort liegenden Federn kreischend über einen großen Papierbogen 
fliegen zu lassen. Dann kam er zu mir, reichte mir das Ge- 
schriebne und sagte: „So, aber nehmen Sie sich in acht, es ist 
noch naß.“ Es war der Empfehlungsbrief nach Schönhausen und 
  
1 G. u. E. I, 9 ff. 
2 S. Bd. I, 232 f.
	        
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