20. Okt. 1877 Vierundzwanzigstes Kapitel 481
Friedrichsruh, den ich mir am Nachmittag vorher von ihm erbeten
hatte, da ich am Tage darauf abreisen wollte. Ich dankte erfreut.
„Es fällt mir schwer, mit Federn zu schreiben — versetzte er —,
aber sie wollten es ja eigenhändig.“ — „Um so mehr Ehre für
mich, Durchlaucht — erwiderte ich —, und nun habe ich das ge—
wünschte Andenken.“ — „Aber warum wollen Sie denn schon fort?“
sagte er. „Bleiben Sie doch noch. Sie sind mir gar nicht im
Wege, auch müssen Sie noch etwas von Varzin sehen.“ Ich dankte
und erklärte, noch ein oder zwei Tage bleiben zu wollen, da ich
nur zu glücklich sei, in seiner Nähe zu sein. Er sagte: „Nur müssen
Sie mir erlauben, daß ich manchmal allein spazieren gehe oder
ausreite.“
Später an diesem Abende gab er eine Probe, daß er nicht bloß
französisch, englisch und russisch, sondern auch ganz passabel sächsisch
sprechen kann. Es war Mitternacht geworden, als er auf die Uhr
sah und ausrief: „Ei Herrjeses, 's is ja schon zwelfe vorbei!“
Sonnabend, den 20. Oktober. Noch immer liegt ziemlich
tiefer Schnee auf Haus und Landschaft, es taut aber. Früh allein
wieder eine Tour durch den Park gemacht, weiter und nach einer
andern Richtung hin. Dann zeitig zum Lunch, wo ich zuerst nur
Fräulein Fatio treffe, mit der ich mich ein Weilchen unterhalte.
Sie bemerkte, der Fürst habe sich auf meinen Besuch sehr gefreut.
Dann erzählte sie mir aus ihrer Lebensgeschichte und von der
Fürstin, die sehr einfach sei, sich selbst ankleide, sich der Wirtschaft
fleißig annehme und dergleichen. Daß sie Bismarck geheiratet habe,
sei ihrer Frau Mutter gar nicht recht gewesen, und eines Tages
hätte diese gesagt, sie wollte doch lieber, daß ihre Tochter einen
Hirten genommen hätte als den da. Sie sprach darauf von
der Gräfin Marie, die nach ihrer Behauptung sehr musikalisch ist,
aber doch nicht so viel leistet wie ihre Mutter. Sie sei auch sonst
talentvoll aber etwas phlegmatisch, und so habe sie manches liegen
lassen, z. B. die Sprachen. Ubrigens könne sie äußerst energisch
sein, wenn sie sich etwas vorgenommen hätte; z. B. wäre sie einmal,
als man ihr den Wagen verweigert hätte, worin sie gewohnt ge-
wesen war, zur Mutter ihres Bräutigams (Eulenburg) zu fahren,
ohne weiteres in eine Droschke gestiegen.
Nach dem Frühstück nochmals durch den Park und bis an
Busch, Tagebuchblätter II 31