Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

20. Okt. 1877 Vierundzwanzigstes Kapitel 483 
lieber Schleswig-Holstein drin gehabt; denn das ist die diplomatische 
Kampagne, auf die ich am stolzesten bin.“ 
Holstein fragte: „Sie wollten das gleich von Anfang an?“ 
„Ja — erwiderte der Fürst — gewiß, gleich nach dem Tode des 
Königs von Dänemark. Es war aber schwer. Alles war dabei 
gegen mich, die Kronprinzlichen, er und sie, von wegen der Ver- 
wandtschaft, der König selbst zuerst und lange Zeit, Osterreich, die 
kleinen deutschen Staaten, die Engländer, die es uns nicht gönnten. 
Mit Napoleon, da ging es, der dachte uns damit zu verpflichten. 
Endlich waren zu Hause die Liberalen dawider, die auf einmal das 
Fürstenrecht für wichtig hielten — es war aber nur ihr Haß und 
Neid gegen mich —, und auch die Schleswig-Holsteiner wollten 
nicht. Die alle, und was weiß ich noch. Wir hatten damals eine 
Staatsratssitzung, wo ich eine der längsten Reden hielt, die ich je 
abgeschossen habe, und vieles sagte, was den Zuhörern unerhört 
und unmöglich vorgekommen sein muß. Ich stellte z. B. dem König 
vor, alle seine Vorgänger hätten dem Staate was hinzugefügt, 
wären Mehrer des Reichs gewesen, nur sein hochseliger Herr Bruder 
nicht; ob ers denn auch so halten wollte? Nach ihren erstaunten 
Mienen zu urteilen, dachten sie offenbar, ich hätte zu stark gefrüh- 
stückt. Costenoble führte das Protokoll, und wie ich mir das hernach 
ansah, fand ich, daß die Stellen, wo ich am deutlichsten und ein- 
dringlichsten geworden war, weggelassen worden waren. Sie ent- 
hielten gerade meine besten Gründe. Ich machte ihn darauf auf- 
merksam und beschwerte mich darüber. Ja, sagte er, das wäre 
richtig; er hätte aber gemeint, daß mirs lieb sein würde, wenn das 
weg bliebe. Ich erwiderte: Ganz und gar nicht. Sie dachten wohl, 
ich hätte einen gepfiffen? Aber ich bestehe darauf, daß es so, wie 
ich es gesagt habe, hineinkommt.“ 
Der Minister bemerkte zwar, als wir dann von unsern Aben- 
teuern in Frankreich sprachen, daß er jetzt nur noch ein gutes 
Gedächtnis für Dienstliches habe („wenn ich etwas in Depeschen oder 
sonstwo über Geschäfte gelesen habe, sagte er, in andern Dingen 
bin ich unsicher"“) — aber der eben mitgeteilte Bericht entspricht in 
  
1 Vgl. Band I, S. 187. 
31“
	        
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