484 Vierundzwanzigstes Kapitel Varzin
allen wesentlichen Punkten dem, was er mir am 11. September
1870 in Rheims über diese Vorgänge erzählt hatte.
Mit Einschluß des Kaffees im Billardzimmer gab es diesmal
eine ungewöhnlich lange Sitzung. Wir saßen fast dritthalb Stunden
bei einander, und der Fürst sprach von allerlei interessanten Dingen,
namentlich auch von politischen Bestrebungen, Ereignissen und
Persönlichkeiten. Besonders ausführlich schilderte er dann, wie
Manteuffel (der Minister, nicht der General) an der Börse Geld
zu verdienen gesucht und dazu seine amtliche Stellung benutzt hatte.
„Die Gesandtschaften mußten ihm die Börsenkurse mitschicken oder
etwas der Art, Auszüge, Berichte über bestimmte Papiere, die er
mit den Depeschen vom Telegraphen früher bekam als die Bankiers.
Die ließ er dann von seinem Agenten — dem Löwenstein, der mich für
Buol bestechen wollte — rasch verwerten.“ Einmal auf die Bestechlich—
keit der Menschen gekommen, vermutete er dann auch bei Organen der
Presse solche faule Fische. „Über — bin ich mir niemals im
Zweifel gewesen,“ sagte er. „Der nahm, was ihm angeboten wurde,
von Freund und Feind. Und mit der — Zeitung steht es wohl
auch nicht viel besser. Sie war für die Dänen, weil die Engländer
für sie waren. Jetzt ist sie für die Türken, weil — Türken hat,
die er los zu werden und unter die Leute zu bringen wünscht."
Beim Thee gedachte er wieder der Konfliktszeit und seines
damaligen Gesprächs mit dem Könige, das er mir während des
letzten Besuchs mitgeteilt hatte, den ich ihm in Berlin gemacht
hatte. „In der Konfliktszeit — so erzählte er jetzt — dachten sie
an allerlei, was sie uns anthun wollten — Schafott, oder wenigstens
konnte ich mein Vermögen verlieren. Ich nahm infolge dessen so
viel Geld auf meine Güter auf, als nur anging. Man nannte mich
damals den preußischen Strafford — Sie erinnern sich, der in der
Revolution von 1641 vom Parlament zum Beile verurteilt wurde.
Der König aber hatte auch Angst davor; die hatten ihm die
Frauen eingeredet, unten in Baden. Er wollte abdanken, wenn er
keinen kriegen könnte, der mit ihm regieren wollte. Als ich ihm
auf der Eisenbahn entgegen gefahren war, war er ganz kleinlaut
und gedrückt. Zuletzt fragte er mich: „Wie, wenn sie uns nun
beide aufs Schafott schickten?" — Ich erwiderte zuerst bloß: Und
dann?e Darauf aber sagte ich: Sie haben da Ludwig den Sech-