Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

Varzin Vierundzwanzigstes Kapitel 489 
Zunächst ein paar Worte über ihre Geschichte. Dann wollen wir 
sehen, wie ihr Besitzer sie verwaltet und regiert, und wie er in 
einiger andern Beziehung im Jahre 1877 sowie kurz vorher und 
bald nachher hier lebte. 
Die Herrschaft Varzin gehörte in alter Zeit zu einer weit 
größern und wertvollern Gruppe von Gütern, einem Komplex von 
Landgrundstücken, der ursprünglich teilweise im Besitze der Familie 
Zitzewitz, zum größten Teile aber in dem der Grafen Podewils 
war, die bis zum Jahre 1805 hier begütert waren. Der Sage 
nach soll sich ein Angehöriger dieses alten pommerschen Adels— 
geschlechts den Kern des großen Besitztums durch eine tapfre That 
verdient haben. Ein Herzog von Pommern — so ungefähr erzählte 
uns der Kanzler — wurde, wie es heißt, während einer Wallfahrt 
nach dem heiligen Lande von sarazenischen Seeräubern angegriffen. 
Die Piraten enterten sein Schiff, und eben stand einer von ihnen 
auf dem Sprunge, Sr. Gnaden mit seinem Säbel den Garaus zu 
machen, als der getreue Ritter von Podewils mit einem Bratspieß 
aus der Küche herzueilte und den heidnischen Unhold erlegte. Er 
durfte sich dafür eine Gnade ausbitten und bat um Belehnung mit 
dem Lande um Schloß Crangen, das in gerader Linie etwa vier 
Kilometer von Varzin liegt, und in dessen Umgebung es damals 
viel Wald und Wild gab. Später wurde dieser Grundbesitz durch 
die Grafen Podewils, die wiederholt am Ruder des Staats standen 
und infolgedessen mächtige, einflußreiche Leute waren, auf geraden 
und krummen Wegen bedeutend vergrößert. Zu Anfang dieses Jahr— 
hunderts aber ging er, inzwischen wieder kleiner geworden, in das 
Eigentum eines Herrn von Blumenthal über, der 1814 den Grafen— 
titel erhielt. Von einem Angehörigen dieses Hauses erwarb ihn, 
der mittlerweile durch Verkauf von Chorow nochmals beträchtlich 
an Ausdehnung verloren hatte, der Reichskanzler im Frühjahr 1867, 
als er die Nationalbelohnung bekommen hatte, die ihm für seine 
Verdienste um das Gelingen der Umgestaltung der deutschen Ver- 
hältnisse auf Antrag des preußischen Landtags zu teil geworden war. 
Von einem Flächengehalt, der über hunderttausend Morgen 
betragen hatte, auf etwas mehr als ein Fünftel davon zusammen- 
geschmolzen, umschloß die Herrschaft damals außer Varzin nur noch 
die Güter Wussow (Pfarrdorf), Puddiger, Chomitz und Misdow
	        
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