Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

490 Vierundzwanzigstes Kapitel Varzin 
sowie das Vorwerk Charlottenhof. Seitdem ist der Fürst darauf 
bedacht gewesen, sie durch Hinzukauf allmählich wieder zu ver— 
größern. 1868 erwarb er das Gut Seelitz, und 1874 gelangte auch 
das von seinem Vorbesitzer veräußerte Chorow wieder in seine Hände, 
sodaß die Gesamtheit seines hiesigen Grundeigentums gegenwärtig 
eine Fläche von ungefähr sechsunddreißigtausend Morgen einnimmt. 
Der Fürst ist aber nicht bloß ein Mehrer seines kleinen Reichs, 
sondern zugleich ein thätiger und umsichtiger Verbesserer seiner Zu— 
stände gewesen. Er war immer ein tüchtiger Landwirt, und er ist 
es noch. Ich bin der Meinung, daß die Neigung zu dieser Be— 
schäftigung bei ihm aus einer und derselben Quelle entspringt wie 
die Neigung und Befähigung zu politischem Wirken und Schaffen. 
Bismarck hat es, wie schon seine Verwaltung von Kniephof neben 
manchen jugendlichen Ausschreitungen erkennen ließ, immer ver— 
standen, durch Vernachlässigung heruntergekommne Güter mit um— 
sichtigem Blicke und richtig zugreifender Hand wieder emporzubringen, 
und er zeigt dies in Varzin von neuem. 
Wer das kann, der wird unter Umständen, d. h. mit der er— 
forderlichen politischen Bildung und Kenntnis, sowie in der geeig— 
neten Stellung, meist auch befähigt sein, heruntergekommne große 
Güter oder Herrschaften — ich meine Länder, Völker, Staaten — 
wieder dahin zu bringen, daß sie sich mit Ehren sehen lassen können. 
Auf alle Fälle schärft die Landwirtschaft in gleichem, vielleicht noch 
höherm Grade als die Thätigkeit des Fabrikanten und das kauf— 
männische Gewerbe den Blick für die natürlichen Verhältnisse, da 
sie vorwiegend mit dem Nächstliegenden zu thun hat. Sie lehrt 
Mögliches schnell von Unmöglichem unterscheiden und infolgedessen 
die Dinge praktisch anfassen. Sie erzieht Realpolitiker im kleinen. 
Sie läßt von allen Beschäftigungen am wenigsten sich die kosmo— 
politische Richtung entwickeln, die dem gesunden nationalen Egois- 
mus in den Weg tritt, der die Völker mächtig und reich macht. 
Sie erfährt in ihrem Bereich am schnellsten und sichersten, was 
sich von fremdländischem Gewächs zur Verpflanzung auf unsern 
Boden eignet, und was nicht, und sie gewöhnt auch über diesen 
Bereich hinaus an praktisches, sachgemäßes Verfahren. Es wäre 
daher meines Erachtens gut, wenn die Mehrzahl der Sitze in den 
Sälen unfrer Landtage und nicht minder im Reichstage von Leuten
	        
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