Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

Varzin Vierundzwanzigstes Kapitel 491 
eingenommen würde, die eine Zeit lang in diese Schule gegangen 
sind, statt daß es sich jetzt Handwerkspolitiker, Fraktionshelden ohne 
Sinn und Verständnis für das natürliche Leben und sein Be— 
dürfnis, phrasendreschende, nur in juristischen Formalitäten erfahrne 
und sich wohlfühlende Advokaten, talmudische Silbenstecher und 
Mückenseiher, rechthaberische, vom Bewußtsein ihrer Allwissenheit 
und Unfehlbarkeit geschwollne Professoren und Litteraten und andre 
strebsame Theoretiker zum Schaden und Aufenthalt unsrer Ent— 
wicklung auf ihnen bequem machen. Den Inhalt unsrer Gesetzgebung 
würden dann die praktischen Leute liefern, den andern wäre über— 
lassen, die Form zu feilen, und jeder Teil hätte dann, was sich 
für ihn schickte und gebührte. 
Doch kehren wir von dieser Not der Zeit zu Bismarck, als 
dem Verwalter seiner Güter in Hinterpommern, zurück. Man wird 
zwischen den Zeilen der folgenden Mitteilungen noch manche Ähn— 
lichkeit seiner Bestrebungen als Landwirt mit seinen in den beiden 
letzten Reichstagskampagnen und früher hervorgetretnen Absichten 
herauslesen können, ohne daß ich jedesmal ausdrücklich darauf hin— 
weise. Vor ihm war zum Exempel schöner Wald ausgerodet und 
in schlechtes Feld verwandelt worden, das gegen die Theorie, die 
dieses Verfahren empfohlen hatte, nichts oder nur kärglich trug. 
In ähnlicher Weise wie der jetzige Eigentümer der Herrschaft 
Varzin sich bemüht hat, diesen Mißgriff wieder gut zu machen, ist 
er auch an andern Stellen dabei gewesen, Kiefernschonungen auf 
kargem und bis dahin nur mit Gestrüpp, Sandhafer und Heidekraut 
bedecktem Boden anzulegen, und wenn die Natur — beiläufig wie 
mancher und manches auf andern Wegen des Reichskanzlers, z. B. 
bei seiner Reformarbeit auf politischem und volkswirtschaftlichem 
Gebiete — nicht daran will, so muß sie. Sie wird dann eben 
durch kluges Manövrieren und zähe Beharrlichkeit gezwungen. An 
verschiednen Stellen sah ich jungen Föhrenwald, dessen ungleich hohe 
Stämmchen zeigten, daß der Erfolg im ersten Jahre nach der An- 
pflanzung infolge der Einwirkung von Sand und Wind nur ein 
Viertelserfolg, im nächsten Jahre kaum ein halber gewesen war. 
Beharrlichkeit aber, unverdrossenes neues Ansetzen, wo es mißglückt 
war, hatten weiter geholfen, und lustig erhoben sich die dritten und 
vierten Holzsaaten zwischen den ältern, eine ebenso gesunde und
	        
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