Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

Jünfundzwanzigstes Kapitel 
Schönhausen und Friedrichsruh 
Isebe wir auf der Lehrter Bahn von Berlin nach Stendal, so 
begegnen wir eine starke Viertelmeile von der Stelle, wo der 
Zug die Elbe überschreitet, links von den Gleisen einer Station, die 
sich Schönhausen nennt. Etwa zehn Minuten Wegs davon streckt 
sich ein langes Dorf gleichen Namens hin, aus dessen Gärten zwei 
größere Gebäude und eine stattliche Kirche aufragen. Schon mancher 
Fremde hat hier für einen Tag Halt gemacht und ist nach dem 
Dorfe hinübergewandert, um zu sehen und zu zeichnen; denn wir 
haben hier den Geburtsort Bismarcks vor uns, und das eine der 
beiden größern Gebäude, das drüben bei der Kirche aus hohen 
Baumwipfeln hervorschauende, ist sein Stammhaus.1 
Schönhausen liegt flach in weiter Ebene. Nur wo die Kirche 
und das Geburtshaus des Reichskanzlers stehen, erhebt sich der 
Boden ein wenig über die Felder und Wiesen der Gegend. Das 
Dorf hat über achtzehnhundert Einwohner und sieht recht wohlhäbig 
aus. Es bildet in der Hauptsache eine lange, breite Gasse, die an 
den Fußwegen größtenteils mit Bäumen besetzt ist. Der Umstand, 
daß die Häuser an einigen Stellen dicht aneinandertreten, verschiedne 
Handwerker und Krämer, drei oder vier kleine Gasthöfe und eine 
Posthalterei, lassen den Ort mehr wie einen Flecken als wie ein 
Dorf erscheinen. Außer dem Bismarckschen Gute ist hier noch ein 
zweites, das fast noch einmal so groß als das des Fürsten ist und in 
frühern Zeiten ebenfalls im Besitze von dessen Familie war, gegen- 
  
1 Darüber siehe jetzt vor allem G. Schmidt, Schönhausen und die Fa- 
milie von Bismarck. 2. Aufl. Berlin, 1898.
	        
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