Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

506 Fünfundzwanzigstes Kapitel Schönhausen 
Der Inspektor öffnet die weiße Flügelthür zur Linken, und 
wir treten in das Visitenzimmer mit seiner stark nachgedunkelten 
Oltapete, die Landschaften zeigt, und seiner Stuckdecke. Ein altes 
schwarzes Sofa erinnert an die ehemalige Bestimmung des Gemachs. 
Ein paar Bettstellen mit darin aufgestapelten Federbetten deuten an, 
daß es zuletzt andern Zwecken gedient hat. 
An das Visitenzimmer, dessen Fenster auf den Rasenplatz vor 
dem Parke hinaussehen, stößt ein andres, dessen Tapete auf grünem 
Grunde große goldne Chinesen zeigt. Neben dem weißen Kamin, 
über dem ein Olgemälde, das Porträt einer Frau, hängt, steht ein 
Ofen. In der einen Ecke bemerkt man einen Abguß von Rauchs 
Walpurga auf dem Hirsch, in der andern eine Nachbildung der 
Kißschen Amazone in Gips. Eine Nische, die mit einer roten Por— 
tiere von baumwollnem Stoffe verhangen ist, eine Kommode und 
zwei Sofas, das eine rot, das andre blaßgrün überzogen, sind das 
übrige Zubehör und Gerät der ziemlich großen Stube, die einmal 
als Salon gedient zu haben scheint, und aus deren Fenstern man 
auf die Gänge und Baumwipfel des Parks hinausblickt. 
Kehren wir in den Mittelsaal zurück und treten wir durch die 
Flügelthür neben der Büste Friedrich Wilhelms III., so gelangen 
wir wieder in die Stube, wo der Fürst von Bismarck wohnte und 
arbeitete, als er noch einfach Herr von Bismarck hieß. Die Tapete 
zeigt weiße Arabesken auf grünem Grunde, wie sie vor dreißig 
Jahren Mode waren. An der Wand rechts von der Thür steht 
ein grünes Sofa und davor ein Tisch mit grünbezognen Polster— 
lehnstühlen. Über dem Sofa hängen drei Lithographien und das 
in Olfarben ausgeführte Porträt der Mutter des Reichskanzlers in 
der Tracht der zwanziger Jahre, ein nicht unschönes, aber kaltes 
Gesicht, von dessen Original, wenn es hier richtig getroffen ist, 
der Sohn die gemütlichen Züge seines Wesens nicht haben kann. 
Weiterhin folgt an derselben Wand über dem Kamin des Zimmers 
das Medaillonbild einer Dame, über die mein Begleiter keine Aus- 
kunft zu geben wußte. In der Ecke daneben, deren Wände statt 
der Tapete blau glasierte Fliesen mit kleinen weißen Landschaften 
bedecken, befindet sich ein großer weißer Kachelofen, auf dem oben 
ein Stier von Gips steht. Die Ecke gegenüber nimmt ein großes 
braunes altväterisches Uhrgehäuse ein, dessen Werk ein zinnernes
	        
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