Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

Schönhausen Fünfundzwanzigstes Kapitel 511 
der Wand gewahrt man zahlreiche Spuren von Schrotschüssen, die 
nach der Mitteilung des Inspektors, der mich auf sie ausmerksam 
machte, von Schießübungen des Reichskanzlers in der Zeit her— 
rühren, wo er noch der kleine Junker von Bismarck war. Der offne 
Rasenplatz aber, der sich auf der andern Seite der Lindenallee hin— 
zieht, erinnert durch die hier aufgefahrnen französischen Geschütze 
an das, was aus dem kleinen Schützen nach dem Willen der Vor— 
sehung in spätern Jahren geworden ist, an den Heros, der Deutsch— 
land zu einigen und von Frankreich und Osterreich zu befreien ersehen 
war. Es sind vier Kanonen, zwei kleine neue und zwei sehr große 
alte. Die beiden letzten, offenbar Festungsgeschütze, sind schön 
verziert und mit prächtiger hellgrüner Patina überzogen. Die Namen 
der nun zahm gewordnen metallnen Feuerdrachen — man weiß, 
daß die Gallier die Gewohnheit haben, ihre Kanonen wie wir die 
Schiffe zu taufen — sind: L'Autorité, Le Navarin, Le Ravissant 
und Le Champion. 
Steigen wir auf der moosbewachsenen Treppe vor uns in den 
Park hinab, so befinden wir uns bald zwischen hohen Weißbuchen- 
hecken in schmalen geradlinigen Gängen, bald im Schatten der Aste 
und Blätter von Lindenalleen, die ebenfalls gerade fortlaufen. An 
der tiefsten Stelle liegt, von einem Graben oder einem kleinen halb 
ausgetrockneten Teich umgeben, von Baumkronen überragt, ein Lust- 
haus. Hie und da steht eine Bildsäule von Sandstein, eine alte 
griechische oder römische Gottheit, die die Zeit mit gelben Flechten 
bekleidet oder — vielleicht thaten es hier die bösen Franzosen, die 
oben den Stammbaum gemißhandelt hatten — um einen Kopf kürzer 
gemacht hat. Am Rande des Parks, wo ein hölzernes Brückchen 
über einen Graben ins sonnige Feld hinausführt, begegnen wir der 
Statue eines Herkules, der die Hand auf eine Stelle unter dem 
Rücken drückt, wie wenn es ihm da wehthäte. Die Leute in Schön- 
hausen — ich meine die im Dorfe — nennen ihn, weil er die Tracht 
der Menschheit vor dem Sündenfalle trägt, den „Adam,“ und ein 
witziger Kopf unter ihnen hat die Sage aufgebracht, er halte die 
Hand an jenen Körperteil, weil ihn der Schuß noch schmerze, den 
Junker Bismarck einst auf seinen Sitzapparat abgefeuert habe. Ob 
aus Verdruß darüber, daß er diesen Apparat denen, die die Brücke 
vom Felde draußen kommend passieren, in nicht recht höflicher Weise
	        
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