Schönhausen Fünfundzwanzigstes Kapitel 513
von einer andern Behörde, wie mein Begleiter erzählte, auf Antrag
des Chausseeinspektors verlangt, daß der Draht dicht am Baume
hinlaufe — eine Forderung, die eine Verstümmlung durch Hinweg—
nahme eines Teils des Wipfels einschloß. Ob das notwendig war?
Ich schlug zu Hause mein Notizenherbarium nach und fand darin
folgende Ergebnisse der Studien, die der französische Physiker Moucel
in betreff der Bäume als Leiter der Elektrizität angestellt hat:
„Die Bäume sind durchaus mehr oder minder Leiter, und ihr
Leitungsvermögen hängt von der Menge der Flüssigkeit ab, die sie
enthalten. Die Widerstandsziffer, die von den Blättern eines Baumes
ausgeht, vorausgesetzt, daß nur einige derselben mit der Leitung in
Berührung gebracht worden sind, variiert, rund gerechnet, zwischen
zweimal- und viermalhunderttausend Kilometern Telegraphendraht,
d. h. der elektrische Strom findet in einem Baume den nänlichen
Widerstand, den er beim Durchlaufen eines Telegraphendrahts von
etwa sechsundzwanzig= bis zweiundfünfzigtausend Meilen Länge zu
überwinden hätte. Der Widerstand im Stamme überschreitet in einer
Höhe von sieben bis acht Metern, wenn der Erdboden als Zwischen-
mittel benutzt wird, bei stärkern Bäumen nicht siebentausend Kilo-
meter und wechselt bei Einschaltung kleiner metallischer Elektroden
zwischen zwei= und siebentausend Kilometern. Man hat hier noch
keine Ursache, sich zu sehr von der Berührung der Drähte des Tele-
graphen mit den Blättern der Bäume zu scheuen; denn die auf diesen
Linien angewandten Isolatoren besitzen, wenn sie vom Rauche ge-
schwärzt sind, ebenfalls keine größere Widerstandsfähigkeit. Der
Leitungswiderstand gewöhnlicher Häuser ist sechzehn= bis zwanzigmal
größer als jener der Bäume.“
Ich muß es Fachmännern überlassen, zu entscheiden, ob hieraus
Schlüsse auf unsern Fall gezogen werden können und welche.
Nächst dem Hause, worin der Reichskanzler geboren worden ist,
worin er von 1845 bis 1851 meist gelebt, und wo er auch in den
Jahren von da an bis 1867 wiederholt für längere Zeit seinen
Aufenthalt genommen hat, und nächst den alten Bäumen im Garten
und Parke, die Zeugen seiner ersten Kinderjahre, dann seines gärenden
und überschäumenden Jugendhumors, endlich seines Heranreifens zum
Politiker waren, die ihn von seiner Lehr= und Wanderzeit mit jedem
Sommer klarer und freier wiederkommen sahen, bis er die Welt mit
Busch, Tagebuchblätter II. 33