12. Januar Sechzehntes Kapitel 39
da ungefähr: Deutscherseits hat man den Krieg mit der Absicht
geführt, Frankreich mit der größten Schonung zu behandeln. Wir
sind nach der Genfer Konvention verfahren, auch als die Franzosen
sie verletzten, und zwar in schreiender, grausamer Weise durch Ver—
nachlässigung und Mißhandlung unsrer Verwundeten und durch
Ausplünderung von Sanitätskolonnen verletzten. Sheridan hat sich
verwundert, daß der Sieger sich vom Besiegten plündern ließ, wenn
er geduldig und willig die für seine Bedürfnisse von der Bevölkerung
geforderten maßlosen Preise zahlte. Andrerseits melden englische
Berichterstatter, daß der Krieg immer mehr den Charakter eines
mittelalterlichen Vernichtungskampfes annehme. Dies zugegeben,
würde die Schuld lediglich die Franzosen treffen. Der König hat
zu Anfang des Kriegs in einer Proklamation gesagt, er führe ihn
nur mit der bewaffneten Macht Frankreichs, nicht mit dessen fried—
lichen Bürgern. Daraus versucht man den Schluß abzuleiten, wir
hätten nur das Kaiserreich, nicht aber die Republik bekämpfen dürfen,
vor der wir vielmehr die Waffen niederzulegen verpflichtet gewesen
seien. Was die friedlichen Bürger anlangt, so sind Franctireurs
und die, die sie unterstützen, eben keine friedlichen Bürger. Alle
Autoritäten auf dem Gebiete des Völkerrechts, von Vatel bis auf
Bluntschli und Haller stimmen darin überein, daß die schonende
Behandlung der friedlichen Bevölkerung auf der Voraussetzung be-
ruht, daß zwischen den Soldaten und den Zivilisten eine vollkommen
deutlich erkennbare Demarkationslinie existiere, und daß der Zivilist
sich der feindlichen Handlungen enthalte, die für den Soldaten
Pflicht sind. Was der Soldat thun muß, darf der Bürger nicht
thun, und thut er es, ohne Soldat zu werden, doch, begeht er
kriegerische Handlungen gegen den in sein Land eingerückten Fremden,
so verliert er das Recht des Zivilisten, ohne das des Soldaten zu
erwerben. Der Soldat kann verlangen, daß man ihn, wenn er
nicht mehr in der Lage ist, zu schaden, mit Schonung behandle.
Jener dagegen, der ohne Verpflichtung tötet und dadurch jene
Demarkationslinie verwischt, kann nur durch den Tod selbst ent-
waffnet werden. Der Zustand der Kriegsgefangenschaft existiert für
ihn nicht, man muß ihn im Interesse der Humanität vernichten.
In demselben Augenblicke, wo König Wilhelm den Kampf mit dem
Ausspruche eröffnete: Ich führe den Krieg gegen die feindlichen