Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

Friedrichsruh Fünfundzwanzigstes Kapitel 519 
haben Eurer Majestät Wort, uns gerecht, nach Landessitte und 
Landesrecht regieren zu wollen,“ womit ohne Zweifel viel weniger 
vernünftige Gerechtigkeit als Konservierung der feudalen Gerechtsame 
gemeint war. Der König ließ darüber in seiner Antwort nichts 
verlauten. War das schon verstimmend, so sollte es bald noch ganz 
anders kommen. 
Am Nachmittag des 25., dem am 26. in der Ratzeburger 
Petrikirche die Zeremonie der Huldigung folgen sollte, genießt 
Bismarck, der den Monarchen hierher begleitet hat, auf dem schönen 
Landsee bei dem Städtchen die Abendluft, und zwar in Gesellschaft 
eines Herrn von Bülow, Erblandmarschalls und Vorsitzenden der 
Stände Lauenburgs, das Muster eines Junkers von der dortigen 
Sorte. Da Bülow noch nichts von der Absicht des neuen Landes- 
herrn, die Privilegien zu bestätigen, gehört hatte, und die Ungewißheit 
ihn schwer bedrängte, so faßte er sich zuletzt ein Herz und fragte: 
„Apropos, Exzellenz, wie steht es mit unserm Rezeß? Ich 
hoffe, daß Seine Majestät ihn bestätigen, bevor er unfre Huldigung 
verlangt.“ 
„Ich vermute, daß der König das nicht thun wird,“ versetzte 
Bismarck. 
„Dann werden wir — erwidert Junker von Bülow imposant — 
uns morgen in der Kirche weigern zu schwören.“ 
„Je nun — entgegnete der Minister kühl —, das werden Sie 
morgen in der Kirche zu hören bekommen, daß Sie der nächsten 
preußischen Provinz einverleibt sind.“ 
Und so fahren die beiden Herren, der Erblandmarschall wahr- 
scheinlich ein bischen betreten und mißlaunig, desgleichen in seinen 
weitern Reden etwas säuerlich, in ihrer frühern Unterhaltung über 
die Reize der Gegend fort. 
In sein Quartier zurückgekehrt entwirft Bismarck unverweilt 
ein Dekret, das die Einverleibung Lauenburgs in die Provinz 
Brandenburg verkündigt, und das für den Fall, daß die adlichen 
Herrschaften den Schwur und die rechte Erbhuldigung wirklich zu 
verweigern die Dreistigkeit haben sollten, nächsten Tages in der 
Kirche verlesen werden und mit der Aufforderung an die Anwesenden, 
in Masse zu schwören, endigen soll — einer Aufforderung, der vom 
Volke unverzüglich entsprochen worden wäre. Er versichert sich der
	        
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