Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

520 Fünfundzwanzigstes Kapitel Friedrichsruh 
Zustimmung des Königs zu dem Dekrete, und mit diesem kleinen 
Torpedo in der Rocktasche betritt er am Morgen die Kirche. Man 
singt ein geistliches Lied. Es folgt eine Predigt des Superintendenten. 
Dann werden die Vasallen zum Schwur aufgerufen, und Bülow 
soll den Anfang machen. Zögernd tritt er vor, bleibt einen Augen— 
blick stehen und sieht Bismarck an, begegnet aber einem festen und 
vermutlich ein ganz klein wenig verächtlichen Blicke und geht nun 
zum Altar hinauf und schwört. Alle übrigen Herren Stände folgen 
und thun desgleichen. Keine Bestätigung des Rezesses! 
Bucher hatte diese allerliebste kleine Geschichte aus der denkbar 
besten Quelle. Der Chef hatte sie ihm selber erzählt. 
Und jetzt zur Beschreibung Friedrichsruhs, wie ich es bei 
längern Besuchen des Fürsten in den Jahren 1883 bis 1893 kennen 
lernte, und ein paar Worte über seine Geschichte. 
Setzen wir uns in Berlin auf dem Lehrter Bahnhof in das 
Coupee eines Schnellzuges, der nach Hamburg bestimmt ist, so 
kommen wir nach Verlauf von etwa vier und einer halben Stunde 
in Friedrichsruh an. Führen wir weiter, so wären wir in ungefähr 
dreißig weitern Minuten in Bergedorf und wieder nach dreißig 
Minuten in Hamburg. Die letzten größern Stationen vor Friedrichs- 
ruh sind Hagenow und Büchen, wo der Zug in lauenburgisches 
Gebiet hineinfährt. Hinter Schwarzenbeck tritt der Wald, der schon 
vorher auf der nahen Ebene und auf den links sich in der Ferne 
hinziehenden Höhen, alten Elbdünen, sichtbar geworden ist, allmählich 
näher an die Bahn heran, bis er sich, nur zuweilen durch eine 
Wiese unterbrochen, zu beiden Seiten dicht neben ihr erhebt, sodaß 
wir zwischen seinen Wipfeln wie durch eine tiefe einsame Gasse 
fahren: wir durchschneiden den Sachsenwald. Rechts windet sich 
zwischen schilfigen Ufern ein Flüßchen durch das Grasland der 
Einbuchtungen des großen Forstes, die Aue, die der an Holsteins 
Grenze sich hinschlängelnden größern Bille zuströmt. Mitunter eine 
kleine Haltestelle, manchmal ein Rudel Rehe, die, von der Loko- 
motive beim gemütlichen Asen aufgescheucht, mit hastigen Sprüngen 
nach dem Dickicht flüchten. Dann ein Durchstich mit hohen 
Böschungen. Weiterhin zur Rechten die Häuser und Schuppen, der 
Nauch und das Geräusch der Dampfsägemühle des Fürsten, die 
seinen Holzreichtum für industrielle Zwecke, u. a. für Bergwerke, ver-
	        
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