Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

532 Sechsundzwanzigstes Kapitel 4. Okt. 1878 
Arbeitszimmer mit ihm eine ungefähr einstündige Unterredung, von 
4¼ bis 5¼ Uhr, hatte. Er empfing mich sehr freundlich, gab 
mir die Hand, lud mich ein, mich ihm gegenüber an den großen 
Doppelschreibtisch zu setzen, und sagte dann: 
„Nun, Sie sind wieder Berliner geworden?“ 
Ich erwiderte: „Ja, Durchlaucht, es war auf die Dauer zu 
langweilig in Leipzig; auch wollte ich in Ihrer Nähe sein, um 
Ihnen bei Gelegenheit meine Dienste anbieten zu können." 
Er: „Und Sie haben mit der Gartenlaube gebrochen?“ 
Ich: „Die neue Redaktion — Keil (der Verleger) ist vor 
sechs oder sieben Monaten gestorben — hielt manches in den 
Aufsätzen für Kleinigkeit und wollte es gestrichen wissen. Ich 
aber war andrer Ansicht, und da die Herren bei der ihrigen 
blieben, ließ ich mir meine Sachen zurückgeben. Dafür aber 
werde ich die Grenzboten künftig ganz zu meiner Verfügung 
haben — wenigstens den ganzen politischen Teil, der jetzt nicht 
so ist, wie er sein sollte. Es war dort der Artikel Varzin, um 
den es sich handelte, wo ich allerdings sehr ins Detail gegangen 
war. Aber ich sehe Sie nun einmal mit den Augen des nächsten 
Jahrhunderts an, und so finde ich nichts klein und bedeutungs- 
los, was Sie angeht, und ich bin gewiß, die Zukunft wird auch so 
denken.“ 
Er: „Aber die Gegenwart nicht. Das gilt jetzt auch von dem 
Buche; es ist zu lang geworden mit den vielen Details, und Sie 
werden damit kein gutes Geschäft machen. Auch hat es Stellen, 
die man lächerlich machen kann, und die Witzblätter werden sich das 
nicht entgehen lassen. Auch ich werde dabei daran kommen. Ich 
mache mir zwar nichts daraus, aber Sie?“ 
Ich: „Mir ist es ebenfalls einerlei. Ich habe keine Furcht, 
weder vor denen, noch vor den andern Kritikern, wenn ich nur 
weiß, daß ich dadurch Ihr Wohlwollen nicht verloren habe."“ 
Er: „Nun ja, aber Sie haben dann auch andre an meinem 
Tisch sprechen lassen, was beim Weine gesagt wurde und nicht in 
die Presse gehört. Sie werden sich damit viel Feindschaft zuziehen. 
JIch habe nur mäßig gestrichen und manches stehen lassen, was 
eigentlich auch nicht bleiben sollte. Andres aber mußte weg.“ 
Er nahm zwei Korrekturbogen und ging sie durch. „Zum
	        
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