Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

546 Sechsundzwanzigstes Kapitel 24. Febr. 1879 
den Grundsatz, den man die achte Seligkeit genannt hat: Selig sind 
die da nichts hoffen; denn sie werden nicht enttäuscht werden. Ich 
weiß auch, daß ich nicht so bin, wie sie mich dargestellt haben aus 
Neid und verletzter Eitelkeit. Und schließlich habe ich mich bei dem 
Buche ja nicht auf mein eignes Urteil verlassen, sondern es vor 
dem Drucke Ihnen vorgelegt.“ 
„Ja, das ist wahr — versetzte er —, aber ich habe aus Rück— 
sicht auf Sie nicht soviel gestrichen, als ich gesollt hätte. Es waren 
schon Vorbereitungen getroffen, es war schon viel gedruckt. Es 
würde an Interesse verloren haben, wenn viel weggeblieben wäre, 
und ich wollte Ihnen den Erfolg nicht schmälern.“ 
„Ich danke Ihnen dafür, Durchlaucht,“ sagte ich. „Aber 
auch ich habe von vornherein vieles weggelassen, was fürstliche 
Personen betrifft, den Kaiser und andres, was bedenklich schien. 
Eine Stelle, wo andre den Kaiser gemeint finden, ist übersehen; 
ich selbst dachte dabei nicht an ihn.“ 
Er fragte: „Welche ist denn das?“ 
Ich antwortete: „Die, wo von den Fahnen die Rede ist, die 
im Vertrage nicht erwähnt waren, und die sie nachträglich aus- 
geliefert haben wollten, die Pariser Fahnen, Durchlaucht." 
„Ach, das war weniger der König als Podbielski. Na, diese 
Stelle werden Sie bei künftigen Auflagen nicht hineinsetzen. Sonst 
— wenn ich einmal tot bin, können Sie sagen, was Sie 
wollen — alles, was Sie wissen.“ 
Ich versetzte: „Der Tod möge Ihnen noch lange ferne sein, 
und inzwischen bleibt das Buch, wenn Sie selbst keine Ergänzungen 
wollen, wie es ist. Ich denke durchaus nicht daran, selbständig zu 
verfahren.“ 
„Wie alt sind Sie denn, Herr Doktor?“" fragte er. 
„Achtundfünfzig, Durchlaucht.“ 
„Nun da bin ich Ihnen ja sechs Jahre voran.“ 
Er sprach nun von der Opposition der Freihändler im Reichs- 
tage, die seine Zollreformpläne mißbilligten und angriffen. „Es 
ist merkwürdig — sagte er —, wie sie, wie Richter und Bam- 
berger sich in ihren Reden immer nur um meine Person kümmern 
und nicht um die Sache. Die Person ist ja gleichgiltig. Wie ich 
früher gedacht habe? Wie ich dazu gekommen bin? Ob ich kon-
	        
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