Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

24. Febr. 1879 Sechsundzwanzigstes Kapitel 549 
wohl der Name eines Lauenburger oder Hamburger Arztes“) sagte 
mir, ja, wenn die Schwäche in den Beinen weggehen soll, so muß 
der Kopf drei Monate nicht arbeiten. Ich hätte meinen Abschied 
nehmen sollen, und ich hatte es vor zwei Jahren im Sinne. Aber 
was will man machen, wenn er es unter Thränen nicht will? Ich 
wäre doch gegangen, aber als die Nationalliberalen ihre Angriffe 
begannen, da mußte ich bleiben. Zuletzt kamen die Attentate hinzu: 
der alte Mann mit dem Arm in der Binde, und wie er da lag 
und kaum ja sagen konnte bei der Verhandlung über die Stell— 
vertretung — da hätte ich gedacht, ich versündigte mich gegen Gott, 
wenn ich ihn verließe. Und die Nationalliberalen waren im Herbst 
1877 keine Politiker. Bamberger hat neulich angedeutet, in ele- 
gischem Tone, sie wären berechtigt gewesen, von mir Rücksicht oder 
auch Dank zu erwarten. Als ob sie aus Gründen des Gefühls 
mit mir gegangen wären und nicht deshalb, weil sie national dachten. 
Ich soll sie verleugnet haben, während sie sich von mir abwandten, 
weil ich nicht so liberal sein konnte als sie. Wenn ihre Führer 
wirkliche Politiker waren, so konnten sie damals von mir viel er- 
reichen und mit der Zeit mehr. Aber der Bestand der Partei, des 
Korps, war ihnen wichtiger als die Aussicht auf thatsächlichen 
Erfolg. Als Bennigsen aus Varzin wiederkam, da hieß es unter 
ihnen: Mit diesem Minister kann er nicht dienen, aber nach ihm. 
Es war zu wünschen, daß die fünfzehn oder achtzehn Mitglieder 
der Fraktion, die von Rechts wegen zu den Fortschrittsleuten gehörten, 
ausschieden, aber sie blieben. Und nun griffen mich ihre Blätter an, 
die Kölnische, die Nationalzeitung, der Hannoversche Kurier, ganz 
im Stile der Fortschrittspresse. Im Reichstage wurde mir in allen 
Fragen Opposition gemacht — offenbar, um zu zeigen, daß ich der 
Unterstützung der Herren bedürfe, in betreff des Tabakmonopols, 
bei der Tabaksteuer, wie ich sie beabsichtigte, bei der Beratung 
des Sozialistengesetzes.“!1 
Ich sagte, dabei wäre wohl auch ihr Juristengeist, die Vor- 
stellung vom Rechtsstaate mit im Spiele gewesen, der eigentlich nur 
*) Nicht doch, sondern wahrscheinlich die mir damals noch unbekannte me- 
dizinische Celebrität in Berlin. 
1 G. u. E. II, 158 f. 180 f.
	        
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