Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

27. Febr. 1879 Sechsundzwanzigstes Kapitel 551 
mir einen Abdruck zukommen lassen wollen, werde ich mich freuen 
und Ihnen dankbar sein.“ 
Ich machte darauf einen Artikel: „Zur Genesis der Zoll- 
reform des Reichskanzlers," der für Nummer 10 der Grenz- 
boten bestimmt war, und von dem ich ihm am 28. eine Revisions- 
fahne zuschickte. Nach drei Stunden kam sie an mich zurück. Der Chef 
hatte darin nichts gestrichen als hinter den Worten: „als Delbrück 
in dieser Zeit aus Gesundheitsrücksichten seinen Abschied nahm,“ den 
Satz „.und von seinen Mitarbeitern auf dem Gebiete der Volks- 
wirtschaft niemand geeignet war, genügenden Ersatz für ihn zu bieten," 
sowie im folgenden „war der Kanzler geradezu gezwungen, sich durch 
eingehendes Studium vorzubereiten, die Sache selbst in die Hand zu 
nehmen,“ das Wort „geradezu.“ Ich hatte mir seine Mitteilungen 
in der That wohl so gut gemerkt, wie die Bitterkeiten in Versailles. 
Inzwischen hatte ich eine weitere Unterredung mit dem Chef 
gehabt. Am 27. Februar vormittags wurde ich vom Sekretär 
Sachsse brieflich benachrichtigt, der Fürst lasse mich bitten, ihn, 
wo möglich, bis fünf Uhr zu besuchen. Um drei Uhr ging ich in 
sein Palais. Nachdem ich im Vorsaal eine Viertelstunde gewartet 
hatte, kam ein kleiner magerer ältlicher Herr von ihm heraus, den 
er bis zu dem Vorzimmer (dem mit den beiden dicken Säulen) 
begleitete, Lord Dufferin, der englische Botschafter in Petersburg. 
Dann ging ich mit ihm in seine Studierstube, wo wir uns, wie 
gewöhnlich, vis à vis an seinen Schreibtisch setzten. 
„Sie sagten mir neulich — begann er —, wenn ich was hätte, 
so könnten Sie es in die Grenzboten bringen.“" 
Ich erwiderte: „Ja wohl, Durchlaucht, es soll ohne Verzug 
geschehen."“ 
„Nun, da wollt ich Sie bitten, doch einmal etwas über die 
Politik zu schreiben, die Gortschakow in der russischen Presse treibt, 
vorzüglich im Golos; und daß Sie einen Vergleich anstellen, was 
wir für die Russen und was sie für uns gethan haben. Es muß 
aber fein diplomatisch gemacht werden."“ 
„Ich werde es versuchen,“ antwortete ich. „Ich kenne die 
Artikel des Golos aus der deutschen Petersburger Zeitung. Es 
soll gleich besorgt werden, wie ich den Aufsatz über das Thema 
unfrer letzten Besprechung sofort gemacht habe. Ich werde ihn
	        
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