Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

552 Sechsundzwanzigstes Kapitel 27. Febr. 1879 
Ihnen, wenn Sie erlauben, morgen in einem Korrekturabzuge über— 
senden, falls Sie etwas zusetzen oder streichen wollten.“ 
„Thun Sie das nur,“ erwiderte er. „Nun aber Gortschakow.1 
Sie wissen, wie der Golos fortwährend gegen unfre Politik und 
meine Person losgeht, und wie er behauptet, wir wären undankbar 
gewesen bei dem Berliner Kongresse, und wie er ein Zusammen- 
gehen Rußlands mit Frankreich empfiehlt. Das ist aber Gortschakow 
und Jomini, und das muß in unfre Presse gebracht werden, und 
es muß Gortschakow charakterisiert und nachgewiesen werden, was 
wir Rußland in den letzten fünfzig oder sechzig Jahren zu danken 
oder nicht zu danken hatten, und was wir für Rußland gethan 
haben in dieser Zeit. 1813 hat es uns geholfen, aber in seinem 
Interesse. 1815 war die russische Politik im allgemeinen gut, aber 
auch schädlich für uns: sie hintertrieb eine bessere Gestaltung Deutsch- 
lands, die nicht zu den Plänen paßte, nach denen Kaiser Alexander 
die Welt ordnen wollte, und dann wurden unsre Entschädigungs- 
ansprüche von den Russen nur lau unterstützt. Zuletzt war ihr 
Gewinn größer als der unfre, und wir hatten doch mehr eingesetzt, 
geopfert und geleistet. 1828, da wissen Sie, daß wir ihnen während 
des Türkenkriegs gute Dienste geleistet haben, Müfflings Sendung 
zum Beispiel, die ihnen aus einer großen Verlegenheit half.? 1830 
wollten sie uns in Gemeinschaft mit Frankreich anfallen, dem sie 
das linke Rheinufer verschaffen wollten, und die Sache kam nur 
nicht zu stande, weil die Julirevolution ausbrach. Kurz vor der 
Februarrevolution war ein ähnlicher Plan in der Entwicklung. 
1847 schlugen wir auch im russischen Interesse den Aufstand im 
Posenschen nieder. Während des ersten Krieges mit Dänemarck 
traten sie uns in den Weg. Was dann 1850 in Warschau geschah, 
als die Union ins Auge gefaßt war, wissen Sie ja. Den Gang 
nach Olmütz verdankten wir zum großen Teil dem Kaiser Nikolaus. 
1854, während des Krimkrieges, beobachteten wir, die kurz vorher 
Schlechtbehandelten, Neutralität, während das gutbehandelte Oster= 
  
1 Vgl. G. u. E. II, 105 ff. 
7 Nachdem die Russen unter Diebitsch den Balkan überschritten hatten, waren 
sie mit ihren schwachen Streitkräften in solcher Not, daß nur der von Müffling 
vermittelte Friede von Adrianopel 14. September 1829 sie vor einer wahrschein- 
lichen Katastrophe rettete.
	        
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