Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

Mai 1879 Sechsundzwanzigstes Kapitel 557 
Ich erwiderte: „Nun, ich denke, man darf Ihnen gratulieren 
zum Anfange des Sieges in der Sache. Außerordentlich erfreulich 
war es, wie Sie neulich Delbrück auf den Pott gesetzt haben, bei 
der Debatte über die Getreidezölle. Das war ja eine Widerlegung 
Schlag auf Schlag.“1 
„Ja.“ versetzte er lächelnd. „Man weiß nur nicht, wie es mit 
der dritten Lesung wird. Wenn es sich da nicht machen will, 
stelle ich die Kabinettsfrage, und da mich der König nicht gehen 
läßt, lösen wir auf. Sie scheinen es übrigens verschleppen zu 
wollen, und da weiß ich noch nicht, ob wir auflösen. Ein Jahr 
länger kann vielleicht nichts schaden, dann werden inzwischen die 
Wahlen besser. Auch werden die Ultramontanen, mit denen über- 
haupt kein ewiger Bund zu flechten ist, auf die Finanzzölle wohl 
nicht eingehen. Dann aber lösen wir auf; denn wir fassen die 
Reform als Ganzes auf, von dem nichts wegfallen darf.“ 
Ich fragte, ob ich das in der Presse sagen könnte. 
Er antwortete: „Ich denke, nicht. Aber das sollten Sie her- 
vorheben und ausführen — die Privatstellung, die Lebensverhält- 
nisse der Achtundachtzig") bei den Eisenzöllen. Wie die meisten 
dieser Herren Advokaten, Journalisten, Rentiers Leute sind, die 
von Honoraren, festgestellten Gehalten, Pensionen und Tantiemen 
leben und nichts unmittelbar mit der Landwirtschaft zu thun, nichts 
zu leiden haben — keine Erfahrung — und doch das Hauptwort 
führen."“ 
„Die nicht säen, ernten und spinnen, wie Sie zu Lasker 
sagten — bemerkte ich —, und die sich doch ernähren und kleiden. 
Sie meinten doch nicht bloß den, sondern die ganze Klasse." 
„Gewiß," sagte er. „Und so machen Sie das nur, und ver- 
schaffen Sie sich dazu die nötigen Personalnotizen. Das kann 
nützlich sein zur Aufklärung für die Wahlen. Es muß gezeigt 
werden, daß die Mehrheit unfrer Gesetzgeber aus Leuten besteht, 
die mit praktischen Sachen nichts zu schaffen haben, die kein Auge, 
kein Ohr, kein Gefühl für die Interessen haben, die die Regierung 
hier vertritt. Gelehrte, besonders die Führer, die Hauptredner. 
  
1 In der Rede vom 21. Februar 1879. Politische Reden VII, 364 ff. 
*) Der Opposition.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.