Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

564 Sechsundzwanzigstes Kapitel 9. März 1880 
Franz Joseph in der Angelegenheit benommen habe, antwortete er: 
„Sehr nett und vernünftig. Er kam eigens meinetwegen von seinen 
Jagden nach Wien, ging auf jeden meiner Gedanken ein und war 
zu allem bereit, was ich im Interesse des Friedens vorschlug.“ 
Er bemerkte schließlich, daß er in den nächsten Tagen abreisen 
werde und zwar nach Varzin. „Friedrichsruh ist zu nahe — fügte 
er erklärend hinzu —, auch nehme ich keinen Beamten mit.“ Dann 
klingelte er und fragte den hereintretenden Diener, ob der Wagen 
zur Fahrt nach dem Potsdamer Bahnhof bereit stünde, und ich 
empfahl mich mit guten Wünschen für seine Gesundheit. 
Das Ergebnis dieser Unterredung war der Artikel „Neue 
Friktionen“ in Nr. 42 der Grenzboten, der wieder von der in— 
und ausländischen Presse viel diskutiert und kommentiert wurde. 
Ich sah den Chef von jetzt ab in diesem Jahre nicht wieder. 
Wir fuhren aber in den Grenzboten fort in seinem Sinn zu wirken, 
so gut wirs vermochten, und Bucher half dabei, so lange er in 
Berlin war, wie vorher mit Rat und That getreulich und unver- 
drossen. Den Parteiphilistern wurde dabei bisweilen ziemlich energisch 
Hohn gesprochen, was sie baß verdrossen haben soll. 
Der Fürst kam von seinem Urlaub spät im Winter zurück,? und 
erst am 9. März 1880 erhielt ich aus der Reichskanzlei eine Ein- 
ladung, ihn zu besuchen. Ich ging, wie in dem Briefe gewünscht 
worden war, um ein Uhr in sein Palais und mußte eine Viertel- 
stunde im großen Säulenvorsaal warten, während erst Tiedemann, 
dann der „Cerberus“ (Geh. Hofrat Roland aus dem Auswärtigen 
Amte) durch den Raum gingen. Roland schien noch nichts von 
meinem neuen Verkehr mit dem Chef zu wissen. Er machte große 
Augen, redete ein paar Worte mit mir, vielleicht um sich zu ver- 
gewissern, ob ichs wirklich sei, den er vermutlich als wegen des 
Buches für immer in Ungnade verstoßen und vergessen betrachtet 
hatte, und mußte dann erleben, wie der Kanzleidiener mich ganz 
laut und deutlich zum Fürsten hineinrief. Sollte er dann gar noch 
erfahren haben, daß ich nahezu eine geschlagne Stunde beim Chef 
  
1 Vgl. dazu die Ergänzungen im Anhange von Band III. 
2 Er war in Varzin vom 9. Oktober 1879 bis zum 26. Januar 1880. 
Bismarck-Regesten II, 200. 203.
	        
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