11. Mai 1880 Sechsundzwanzigstes Kapitel 587
Rückübersetzung in die Grenzboten zu bringen, falls Ihnen die
Zeitungen nicht zuvorkommen. Aber die Priorität muß der D. T.
haben.
Der Ihrige
Br.“
Die Anlage war der Wortlaut einer Depesche des Chefs, worin
dieser die Stellung der preußischen Regierung bei den Verhandlungen
über die Beilegung des Streits mit der Kurie und ihrer deutschen
Verbündeten präzisierte. Nur einige Sätze des Originals, das etliche
Wochen später vollständig veröffentlicht wurde, waren hier weg-
geblieben. Lavino übersetzte das Aktenstück ins Englische, und schon
am 3. Mai stand es, eine ganze Spalte füllend, im Daily Telegraph,
drei Tage später in den Grenzboten. 1 Die deutschen Zeitungen
nahmen meines Wissens erst nach Publikation des Ganzen davon
Notiz, wobei sich einige erinnerten, das Wesentliche davon bereits
in den Grenzboten gelesen zu haben.
Ich reiste nun nach Leipzig ab, erhielt aber schon Donnerstag,
den 10. Mai in der Nacht durch ein Telegramm von Frau Therese
Busch die Nachricht, daß der Reichskanzler mich diesen Tag abends
9½ Uhr zu sehen wünsche. Infolgedessen kehrte ich Freitag nach
Berlin zurück, ließ mich durch Sachsse schriftlich beim Chef melden
und wurde von ihm fünf Minuten nach neun Uhr in seinem Arbeits-
zimmer empfangen, worauf wir eine anderthalbstündige Unterredung
hatten.
Er begann: „Nun, Sie waren in der Erholung?“
„Ja, Durchlaucht, ich war auf ein paar Tage in Leipzig, hatte
aber zu Hause hinterlassen, man solle, wenn Sie schickten, mir tele-
graphieren, und so bin ich hier."
Er versetzte: „Da haben Sie zu viel gethan. Es sind bloß
prinzipielle Dinge, über die ich mit Ihnen sprechen wollte. Ich
möchte Ihrem Studium zwei Themata empfehlen. Zuerst das un-
gewöhnlich laute und innige Vergnügen der Liberalen in ihren
Blättern darüber, daß ich die innern Fragen künftig sein lassen und
mich auf die auswärtigen Angelegenheiten beschränken will. Ich soll
von den innern Fragen nichts verstehen, in Bezug auf sie nichts
1 1880, Nr. 19.