Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

1 4. Januar Siebzehntes Kapitel 55 
erhielt, daß Ew. Exzellenz auf das Ersuchen des englischen Kabinetts 
einen Passierschein zu meiner Verfügung halten, der für den Be- 
vollmächtigten Frankreichs zur Londoner Konferenz notwendig ist, 
um die preußischen Linien passieren zu können. Da ich in dieser 
Eigenschaft designiert bin, beehre ich mich, von Ew. Exzellenz die 
Zusendung dieses Passierscheins in meinem Namen in möglichst 
kurzer Frist zu beanspruchen.“ 
Ich teile dies alles lediglich in der Absicht mit, um den 
großen Unterschied zwischen dem Charakter und der Befähigung 
Favres und dem Wesen Bismarcks zu zeigen. Man vergleiche mit 
den oben in ausführlichen Auszügen gegebnen Schriftstücken des 
Franzosen die folgende Außerung des Kanzlers. Dort Unent- 
schlossenheit, Zweideutigkeit, Pose, Phrase, zuletzt das Gegenteil 
von dem, was mit Emphase wenige Zeilen vorher und in andern 
Dokumenten ebenso emphatisch ausgesprochen worden ist. Hier dagegen 
spricht ein Mann, sicher, einfach, natürlich und rein sachgemäß. 
Der Kanzler antwortete Favre am 16. Januar (ich lasse die Ein- 
gangsworte weg) folgendermaßen: 
„Ew. Exzellenz nehmen an, daß auf den Antrag der königlich 
großbritannischen Regierung ein Geleitschein für Sie bei mir bereit 
liege, zum Zwecke Ihrer Teilnahme an der Londoner Konferenz. 
Diese Annahme ist indessen nicht zutreffend. Ich würde auf eine 
amtliche Verhandlung nicht haben eingehen können, der die Vor- 
aussetzung zu Grunde gelegen hätte, daß die Regierung der natio- 
nalen Verteidigung völkerrechtlich in der Lage sei, im Namen 
Frankreichs zu handeln, so lange sie nicht mindestens von der fran- 
zösischen Nation selbst anerkannt ist. 
„Ich vermute, daß die Befehlshaber unfrer Vorposten Ew. 2c. 
die Ermächtigung erteilt haben würden, die deutschen Linien zu 
passieren, wenn Ew. 2c. sie bei dem Kommando des Belagerungs- 
heeres nachgesucht hätten. Dieses würde nicht den Beruf gehabt 
haben, Ew. 2c. politische Stellung und den Zweck Ihrer Reise in 
Berücksichtigung zu ziehen, und die von den militärischen Führern 
gewährte Ermächtigung, unfre Linien zu passieren, die von ihrem 
  
1 Der Brief hat Abeken viel Arbeit gemacht, weil er mehrmals umge- 
schrieben werden mußte, S. 492.
	        
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