Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

17. Januar Siebzehntes Kapitel 57 
Ich lasse jetzt das Tagebuch weiter sprechen. 
17. Januar, Dienstag. Laues Wetter und viel Wind. 
Man hört nicht schießen. Das Bombardement ist indes gestern in 
befriedigender Weise und mit geringen Verlusten auf deutscher Seite 
fortgesetzt worden, was ich auf Befehl des Chefs telegraphiere, 
indem ich zugleich melde, daß der Verlust der Franzosen in den 
sechstägigen Kämpfen bei Le Mans weit bedeutender gewesen 
ist, als angenommen worden war. In unsern Händen sind dort 
19 Geschütze und 22000 unverwundete Gefangne. 
Bei Tische hatten wir zu Gästen den sächsischen Finanzrat 
Nostitz-Wallwitz, der hier bei der Verwaltung angestellt werden 
soll, und einen Herrn Winter oder von Winter, der zum Präfekten 
in Chartres bestimmt ist. Der Chef bemerkte, nachdem jemand das 
Gespräch auf die zukünftigen Operationen des Krieges gebracht 
hatte: „Ich denke mir, wenn wir Paris mit Gottes Hilfe haben, 
da besetzen wir es nicht mit unsern Truppen. Den Dienst mag 
die Nationalgarde darin versehen. Auch ein französischer Komman— 
dant. Wir besetzen bloß die Forts und die Enceinte. Hinein wird 
jeder gelassen, aber niemand heraus. — Ein großes Gefängnis 
also, bis sie wegen des Friedens klein beigeben.“ 
Dann sprach er mit Nostitz über die Generalräte und äußerte, 
man müsse mit deren Mitgliedern Fühlung zu gewinnen suchen. 
Es wäre hier ein gutes Feld zu weitern politischen Operationen. 
„Was die militärische Seite der Sache angeht — so fuhr er fort —, 
da bin ich dafür, daß wir uns mehr konzentrieren, nicht über einen 
gewissen Strich gehen, den aber so in die Hand nehmen, daß die 
Behörden ordentlich verwalten, namentlich die Steuern eintreiben 
können.“ — „Das Militär will immer weiter, die haben eine zentri- 
fugale Operationskarte, ich eine zentripetale. Es fragt sich, ob wir 
Orleans halten können, und ob wir nicht sogar besser thun, auch 
Rouen und Amiens aufzugeben. Im Südosten — da weiß ich 
nicht — die wollen bis Dijon.“ — „Und wenn wir in unserm 
Kreise nicht alles mit Garnisonen versehen können, so schicken wir 
  
1 Oswald von N.-W. Zivilkommissar neben von Fabrice im General- 
gouvernement Versailles, dann Mitglied des Bundesrats, 1876—85 sächsischer 
Gesandter in Berlin. Poschinger, Bismarck und der Bundesrat II, 141 ff.
	        
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