Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

66 Siebzehntes Kapitel 20. Januar 
siebenstündiger Schlacht die Franzosen geschlagen und ihnen vier— 
tausend unverwundete Gefangne abgenommen hat.“ Um zwölf Uhr 
werde ich zum Chef geholt. Er will, daß seine Beantwortung der 
Kernschen Zuschrift und der Brief, worin er Favre den Passierschein 
abgeschlagen hat, in den Moniteur kommen. 
Beim Diner war Bohlen wieder zugegen, desgleichen als Gäste 
Lauer und von Knobelsdorff. Der Chef war aufgeräumt und ge- 
sprächig. Er erzählte unter anderm, als er in Frankfurt gewesen 
sei, habe er oft Einladungen an den großherzoglichen Hof in Darm- 
stadt erhalten und benutzt. Es habe dort vortreffliche Jagden ge- 
geben. Dann fuhr er fort: „Aber ich habe Ursache, anzunehmen, 
daß die Großherzogin Mathilde mich nicht mochte. Sie hat zu 
jemand gesagt, damals, er steht immer da und sieht aus, als ob 
er so viel wie der Großherzog wäre." 
Als wir bei der Cigarre waren, kam plötzlich im Regen- 
mantel der Adjutant des Kronprinzen (ein Major von Hahnke 
oder Kameke) herein, um zu melden, daß der Graf d'Hericourt er- 
schienen sei, um, angeblich im Namen und Auftrag Trochus, einen 
zweitägigen Waffenstillstand zur Wegschaffung der beim gestrigen 
Ausfalle Verwundeten und zur Bestattung der dabei Gefallnen zu 
verlangen. Der Chef erwiderte, er dürfe den Franzosen nicht be- 
willigt werden, für die Wegbringung ihrer Verwundeten und die 
Beerdigung der Toten genügten einige Stunden, die Toten lägen 
übrigens ebenso gut über als unter der Erde. Bald nachher er- 
schien der Major wieder und meldete, der Kaiser werde herkommen, 
und kaum eine Viertelstunde darauf stellte sich Majestät wirklich 
ein, desgleichen der Kronprinz. Sie gingen mit dem Kanzler in 
den Salon, wo eine Antwort für den Boten Trochus redigiert 
wurde, die abschlägig lautete. 2 
Um neun Uhr schickt mir Bucher ein paar mit Bleistift ge- 
schriebne Zeilen herauf, wonach der Abdruck des Briefs an Kern 
auf den Befehl des Chefs morgen im Moniteur erfolgen, der des 
Schreibens an Favre aber bis auf weiteres unterbleiben soll. Sende 
  
1 am 19. Januar. 
Val. Abeken 485 vom 20. Januar. Kaiser Friedrichs Tagebuch vom 
20. Januar. Schneider III, 156.
	        
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