68 Siebzehntes Kapitel 21. Januar
die angenehme Kunde überbracht, daß die Versailler Verträge in
der Münchner zweiten Kammer mit zwei Stimment über die er—
forderliche Zweidrittel-Majorität durchgegangen sind. Das Deutsche
Reich ist also in aller Form fertig.
Der Chef forderte mit Bezug auf diese Thatsache die Gesell-
schaft auf, die Gesundheit des Königs von Bayern zu trinken, „der
die Sache doch eigentlich zu gutem Ende gebracht hat.“ — „Ich
dachte immer — so setzte er hinzu —, daß wir damit durchkommen
würden, wenn auch nur mit einer Stimme; auf zwei hätte ich nicht
gehofft. Die letzten guten Nachrichten vom Kriegsschauplatze werden
auch dazu beigetragen haben."
Es wurde dann erwähnt, daß die Franzosen bei dem vor-
gestrigen großen Ausfalle weit mehr Leute gegen uns geführt haben,
als man bisher dachte, wahrscheinlich über achtzigtausend Mann,
und daß die Montretoutschanze wirklich einige Stunden in ihren
Händen gewesen ist, desgleichen ein Teil von Garches und Saint
Cloud, daß sie aber auch bei ihrem Ansturm ganz gewaltige Ver-
luste — man sprach von 1200 Toten und 4000 Verwundeten —
erlitten haben.
Der Kanzler bemerkte: „Die Kapitulation muß nun bald er-
folgen — ich denke, schon nächste Woche. Nach der Kapitulation
werden sie von uns mit Lebensmitteln versehen werden — versteht
sich —, aber bevor sie nicht siebenmalhunderttausend Gewehre und
viertausend Kanonen ausgeliefert haben, kriegen sie kein Stück Brot,
und dann wird niemand herausgelassen. Wir besetzen die Forts
und die Enceinte und setzen sie so lange auf schmale Kost, bis sie
sich zu einem Frieden bequemen, der uns paßt. Es sind in Paris
doch noch sehr viele gescheite und angesehene Leute, mit denen was
zu machen ist.“
Später kam man auf eine Madame Cordier zu sprechen, die
sich seit einiger Zeit hier aufhalte und sich in diesen Tagen mehrere
Stunden an der Brücke bei Sevres hin und her bewegt habe, wie
es schien, um nach Paris hineinzukommen oder etwas hineinzu-
.— ——ffl —
1 Am 21. Januar mit 102 gegen 48 Stimmen in der zweiten Kammer.
Vgl. auch Abeken 487. Ministerialsekretär Graf Berchem war gut deutsch ge-
sinnt, siehe L. von Kobell in der Deutschen Revue 1899, Januarheft 19 f.