22. Januar Siebzehntes Kapitel 69
bringen. Sie soll eine hübsche, schon etwas ältliche Witwe sein,
und, wenn ich recht verstand, ist sie eine Tochter Lafittes und eine
Schwester der am Hofe Napoleons unter den galanten Damen
hervorragend gewesenen Frau des Reitergenerals Marquis de
Galiffet, die das anmutige Abenteuer mit dem Prinzen von Wales
hatte.'?) Man scheint sie bei uns für eine vornehme Spionin zu
halten, wunderte sich, daß man sie hier duldet, und meinte, sie habe
wohl Freunde und Gönner unter den höhern Militärs.
Der Chef äußerte: „Ich erinnere mich, wie sie vor fünfzehn
oder sechzehn Jahren nach Frankfurt kam. Da setzte sie ohne Zweifel
voraus, daß sie als schöne Frau und Pariserin eine Rolle spielen
werde. Aber es kam anders. Sie hatte ordinäre Manieren und
wenig Takt, sie war nicht so gut erzogen, wie die Frankfurter
Finanzdamen, die das schnell weg bekamen. So weiß ich, eines
Tages ging sie bei feuchtem, schmutzigem Wetter in einem rosa
Atlaskleide aus, das ganz mit Spitzen besetzt war. Sie hätte sich
das Kleid gleich mit Metalliques benähen lassen können, sagten die
Frankfurter Damen, da sähe man besser, was sie zeigen wollte."
Die Unterhaltung ging sodann in eine gelehrte Erörterung des
Unterschieds zwischen den Titulaturen „deutscher Kaiser“ und „Kaiser
von Deutschland“ über, und auch die Möglichkeit eines „Kaisers
der Deutschen“ wurde erwähnt.
Als ein Weilchen darüber verhandelt worden war, fragte der
Chef, der bisher zu der Debatte geschwiegen hatte: „Weiß einer von
den Herren, was auf Lateinisch Wurscht heißt?“
Farcimentum, erwiderte Abeken.
Farcimen, sagte ich.
Chef, lächelnd: Farcimentum oder fareimen, einerlei. Nescio
duid mihi magis farcimentum esset.
22. Januar, Sonntag. Wetter hell, aber nicht kalt. Wie
gestern, so wird auch heute wenig geschossen. Es wird für mich
Zeit, daß wir hier wegkommen; denn ich fühle mich wieder recht
matt und abgespannt. Vormittags zwei Artikel für deutsche Blätter
und einen für den Moniteur gemacht und deshalb zweimal beim
Chef gewesen.
*) Ein Irrium, aber ein verzeihlicher: es war eine Herzogin von Mouchy.