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)ein dem Verfahren gegen Kreisausschuß- und Provinzialausschußmitglieder gemäß
Art. 46 Abs. II u. Art. 82 Abs. II KO. im Zusammenhalt mit Art. 18 des vor-
bezeichneten Gesetzes vom 21. April 1880. Der VGH. entscheidet hier, ebenso
wie im Falle a), als „Disziplinarstrafgericht“ in erster und einziger Instanz über
die Entfernung aus dem Amte usw.,
k) als vorgesetzte Behörde in dem Verfahren gegen Provinzialausschußmitglieder
gemäß Art. 82 Abs. II KO. im Zusammenhalte mit Art. 13 des vorbezeichneten Gesetzes vom
21. April 1880. Der VGH. entscheidet hier „als vorgesetzte Behörde“ in erster und einziger
Instanz über die Verhängung von Ordnungsstrafen gegen Provinzialausschußmitglieder.
#§s 40. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren. I. Einleitung des Ver-
fahrens. Es bestehen zwei verschiedene Wege, um das nach den vorgenannten Zuständig-
keitsbestimmungen zur Entscheidung berufene Verwaltungsgericht im konkreten Falle mit
einer Sache zu befassen. Parteistreitigkeiten (Verwaltungsstreitsachen im engeren
Sinne) werden im Wege der schriftlichen Klage, strittige Verwaltungssachen
und solche Verwaltungsbeschlußsachen, auf welche die Vorschriften des Ver-
waltungsstreitverfahrens für entsprechend anwendbar erklärt worden sind, werden durch
amtliche Vorlage von seiten der beteiligten Verwaltungs-
behörden (Kreisrat oder Provinzialdirektor) bei dem zuständigen Verwaltungsgerichte
anhängig gemacht; bei dem Kreisausschuß kann die Klageerhebung auch mündlich zu Protokoll
erfolgen 1).
Durch die Klageerhebung wird, vorbehaltlich der Sondervorschriften für die Fälle der
Klageeinreichung bei einem unzuständigen Gericht und der Ablehnung des Verwaltungsstreit-
verfahrens wegen Klagemängeln, die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet; jedoch ist
Zurücknahme der Klage statthaft (Art. 40—43). Im letzteren Falle kann die Klage, wenn
an der Sache ein öffentliches Interesse besteht, von dem Vorsitzenden im öffentlichen Interesse
bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils weiter verfolgt werden (Art. 40, 41) 2).
II. Die Durchführung des Verfahrens. Sie erfolgt — von einzelnen
Ausnahmen abgesehen — nach den auch schon nach dem bisherigen Recht maßgebenden Prin-
zipien des rechtlichen Gehörs (Art. 51), der Offentlichkeit (Art. 25, 26), der
Mündlichkeit (Art. 51 f.) und der freien richterlichen Beweiswürdi-
gung (Art. 60) 2). An die Stelle der den Zivilprozeß beherrschenden Verhandlungsmaxime
tritt für das verwaltungsgerichtliche Verfahren die Untersuchungsmaxime (Art. 55) .
Stellt sich der erhobene Anspruch sofort als rechtlich unzulässig oder als rechtlich un-
begründet heraus, so kann die Klage ohne weiteres durch einen mit Gründen versehenen
Bescheid zurückgewiesen werden, gegen den einerseits wie gegen ein reguläres Urteil Be-
rufung an das übergeordnete Verwaltungsgericht, andrerseits binnen zwei Wochen der
Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Gericht gestattet
ist (Art. 44). Ebenso kann ohne vorhergehende mündliche Verhandlung entschieden werden,
1) Vgl. KO. Art. 38, 39 n. F., 56 a. F., ferner Entwurf 1906 S. 70, 1910 S. 69 ff.:
Best S. 17 ff. — Es bedarf keiner eingehenderen Darlegung, daß an sich jeder befugt ist, jede
ihn berührende Angelegenheit — also auch Verwaltungsstreitsachen — vor die zuständige Behörde
zu bringen. Die Behörde kann hierdurch, je nach der Natur der vorgebrachten Angelegenheit,
veranlaßt werden, die Sache entweder unmittelbar selbst in die Hand zu nehmen oder aber den
Petenten auf den geeigneten Weg zu verweisen. Neben dem nur in den gesetzlich bestimmten
Fällen zugelassenen Wege der verwaltungsgerichtlichen Klage besteht selbst-
verständlich in allen geeigneten Fällen auch noch die Möglichkeit eines formlosen Anrufens
der Dienstaufsicht bezw. der Staatsaufsicht. Endlich steht unter Umständen neben
dem Verwaltungsstreitverfahren auch noch der Weg des Beschlußverfahrens offen.
(Vgl. hierüber Entwurf 1906 Art. 46, S. 10 u. S. 75 f.) Bisher enthielt die KO. Vor-
schriften über alle Verfahrensarten, so daß vielfach eine unentwirrbare systemlose Vermengung
eintrat (vgl. die Ausführungen Cosacks S. 42 f. über das von ihm so genannte „Gemischte
Verwaltungsstreitverfahren“).
2) Siehe Entwurf 1910 S. 73 ff.; Best S. 20.
3) Siehe die eingehende Darstellung des bisher geltenden Rechts im Entwurf 1906 S. 69.
4) Siehe auch Entwurf 1906 S. 68, 69; Entwurf 1910 S. 79.